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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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okay?‹
Sie nickte.
›Hier?‹ Sie sah zu rasch von seinem Block zu ihm auf. Dann
    machte sie einen Kußmund und deutete auf die nahende Schwester.
Er zerrte an ihrem Daumen.
›Wo?‹ ließ er nicht locker. Er hatte das Wort zweimal unterstrichen.
»In Oregon«, erwiderte sie.
Vier Stunden später war schließlich ein letztes Mal wieder Crawford an der Reihe.
Graham hatte seine Frage bereits fertig. ›Gebiß?‹
»Das gehört seiner Großmutter«, antwortete Crawford. »Das Gebiß, das wir im Haus gefunden haben, gehörte seiner Großmutter. Die Polizei von St. Louis hat einen gewissen Ned Vogt ausfindig gemacht - Dolarhydes Mutter war Vogts Stiefmutter. Vogt hat als kleiner Junge die alte Mrs. Dolarhyde gesehen und ihre Zähne seitdem nicht mehr vergessen.
Deswegen habe ich dich angerufen, als du Dolarhyde in die Hände gelaufen bist. Ich hatte eben den Anruf vom Smithsonian Institute erhalten. Sie hatten das Gebiß schließlich doch von den Behörden von Missouri zur Verfügung gestellt bekommen, um es einfach aus Interesse selbst noch einmal zu untersuchen. Dabei stellten sie fest, daß die Platte nicht, wie heute üblich, aus Acryl gefertigt war, sondern aus Vulkanit. Und Vulkanit-Gaumenplatten macht seit fünfunddreißig Jahren kein Mensch mehr. Dolarhyde hatte sich ein identisches Gebiß aus Acryl anfertigen lassen, das ihm paßte. Dieses neue Gebiß wurde an seiner Leiche gefunden. Auch das haben sie sich im Smithsonian unter die Lupe genommen; ihren Aussagen nach deuten gewisse Eigenheiten der Fertigung darauf hin, daß das Gebiß in China hergestellt wurde. Das alte war Schweizer Ursprungs.
Er hatte einen Schlüssel einstecken, für ein Schließfach in Miami. Dort hatte er ein riesiges Buch aufbewahrt. Eine Art Tagebuch - das hättest du mal sehen sollen. Wenn du willst, bringe ich es dir mal mit.
Hör zu, Will, ich muß jetzt wieder zurück nach Washington. Wenn es irgendwie geht, komme ich übers Wochenende wieder hier runter. Glaubst du, du packst es?«
Graham zeichnete erst ein Fragezeichen, um es dann jedoch durchzustreichen und statt dessen ›sicher‹ zu schreiben.
Nachdem Crawford gegangen war, kam die Schwester. Sie gab ihm etwas Demerol in seine intravenöse Kanüle, worauf die Uhr vor seinen Augen verschwamm. Außerdem konnte er plötzlich nicht mehr mit dem Sekundenzeiger Schritt halten.
Er fragte sich, ob Demerol auch Auswirkungen auf die Emotionen hatte. Mit seinem Gesicht würde er Molly noch eine Weile halten können - jedenfalls so lange, bis sie es endgültig wieder zurechtgeflickt hatten. Allerdings wäre das ziemlich unwürdig gewesen. Für was sollte er sie überhaupt halten? Er dämmerte allmählich ein und hoffte nur noch, daß er nicht träumen würde.
Er trieb zwischen Erinnerung und Traum dahin, was gar nicht so schlimm war. Er träumte weder von Dolarhyde noch daß ihn Molly verließ. Statt dessen verlor er sich in einem Mittelding aus Traum und Erinnerung, das seinen Besuch in Shiloh zum Gegenstand hatte, unterbrochen nur von Lichtern, die in sein Gesicht schienen, und vom Japsen und Zischen der Blutdruckmanschette...
    Es war Frühling. Kurz zuvor hatte er Garrett Jacob Hobbs erschossen. Und nun war Graham in Shiloh. An einem milden Apriltag ging er über die Straße zum Bloody Pond. Frisches Gras, noch hellgrün, wuchs auf der Böschung zum Ufer hinunter. Das klare Wasser war über das Gras gestiegen, das jedoch unter der Wasseroberfläche noch deutlich sichtbar war, und es schien, als wäre der ganze Grund des Teichs von frischem grünem Gras bewachsen.
    Graham wußte, was sich hier im April 1862 zugetragen hatte.
    Als er sich ins Gras setzte, spürte er den feuchten Boden durch seine Hose dringen.
Ein Touristenauto fuhr auf der Straße vorbei, und kaum war es wieder verschwunden, bemerkte Graham, wie sich auf dem Asphalt etwas bewegte. Der Wagen hatte eine Hühnerschlange überfahren und ihr Rückgrat zerquetscht, so daß sich das Reptil mitten auf der Straße in endlosen Achten unablässig um sich selbst schlängelte, wobei manchmal sein schwarzer Rücken, manchmal sein fahler Bauch zum Vorschein kam.
Obwohl Graham unter der warmen Frühlingssonne leicht schwitzte, jagte ihm die ehrfurchtgebietende Atmosphäre des Ortes einen kalten Schauer über den Rücken. Ihm war schwindlig.
Die Schlange wand sich weiter um sich selbst. Er stand über ihr, um sie schließlich an ihrem glatten, trockenen Ende hochzuheben und sie in einer langen, fließenden Bewegung wie eine Peitsche

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