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Roter Drache

Roter Drache

Titel: Roter Drache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Harris
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Graham vom FBI-Büro St. Louis Molly anzurufen versuchte, meldete sich Willys Großvater.
    »Es ist Will Graham, Mama«, posaunte er in den Raum hinaus, und dann in den Hörer: »Guten Tag, Mr. Graham.«
Willys Großeltern nannten ihn immer Mr. Graham.
»Mama hat erzählt, daß er sich selbst umgebracht hat. Sie hat gerade im Fernsehen Donahue angesehen, als sie die Meldung einblendeten. Das nenne ich Glück. Hat Ihnen wohl eine Menge Unannehmlichkeiten erspart - und uns Steuerzahlern eine Menge Unkosten. War der Kerl übrigens tatsächlich ein Weißer?«
»Jawohl, Sir. Sogar blond. Er sah aus wie ein Skandinavier.«
Willys Großeltern stammten aus Skandinavien.
»Könnte ich nun vielleicht mit Molly sprechen?«
»Kehren Sie jetzt wieder nach Florida zurück?«
»Demnächst. Ist Molly da?«
»Mama, er möchte Molly sprechen. Sie ist gerade im Bad, Mr. Graham. Und mein Enkel frühstückt eben zum zweitenmal an diesem Morgen. Vom Reiten in der frischen Luft wird man eben hungrig. Sie sollten den Bengel mal essen sehen. Ich könnte wetten, daß er mindestens fünf Kilo zugenommen hat, seit er hier ist. Da kommt sie schon.«
»Hallo.«
»Hallo, Süße.«
»Gute Nachrichten, hm?«
»Sieht ganz so aus.«
»Ich war draußen im Garten. Mamamma kam gleich aus dem Haus gestürzt, als sie im Fernsehen die Meldung hörte. Wann bist du ihm auf die Schliche gekommen?«
»Gestern nacht?«
»Warum hast du mich nicht sofort angerufen?«
»Ich dachte, Mamamma schläft vielleicht.«
»Keineswegs. Sie hat sich die Johnny-Carson-Show angesehen. Will, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, daß du ihn nicht festnehmen mußtest.«
»Ich werde noch eine Weile hier bleiben müssen.«
»Vier oder fünf Tage?«
»Ich weiß noch nicht. Vielleicht auch kürzer. Ich möchte dich unbedingt sehen.«
»Ich kann es auch nicht mehr erwarten, dich wiederzusehen, wenn du alles hinter dich gebracht hast.«
»Heute haben wir Mittwoch. Bis Freitag müßte ich eigentlich -«
»Will, Mamamma hat alle von Willys Onkeln und Tanten eingeladen; sie kommen nächste Woche eigens aus Seattle -«
»Was interessiert mich Mamamma - überhaupt, was soll dieses blöde ›Mamamma‹ eigentlich?«
»Als Willy noch ganz klein war, konnte er noch nicht richtig -« »Komm mit mir nach Hause.«
»Will, ich habe doch auf dich gewartet. Aber sie bekommen Willy so selten zu sehen, und ein paar Tage mehr -«
»Komm einfach allein. Laß Willy doch da; deine Ex-Schwiegermutter kann ihn dann ja nächste Woche ins Flugzeug setzen. Weißt du was? Laß uns in New Orleans Zwischenstation machen. Es gibt dort ein Lokal -«
»Das geht nicht so einfach. Ich habe - allerdings nur halbtags
- in diesem Jeans-Shop in der Stadt gearbeitet; ich kann dort jetzt unmöglich von einem Tag auf den anderen aufhören.«
»Was ist denn, Molly?«
»Nichts. Was sollte denn sein? Ich bin nur ziemlich geknickt, Will. Du weißt doch, daß ich auch hierher kam, als Willys Vater starb.« Sie sagte immer ›Willys Vater‹, als handelte es sich dabei um eine Institution. »Wir waren alle zusammen - und das hat mir sehr geholfen, mich wieder zu fangen, ruhiger zu werden. Ich habe mich auch jetzt wieder im Griff, und ich -«
»Mit einem kleinen Unterschied: Ich bin nicht tot.«
»Sei doch nicht so.«
»Wie soll ich nicht sein?«
»Du bist verrückt.«
Für einen Moment schloß Graham die Augen.
»Hallo? Bist du noch dran?«
»Molly, ich bin nicht verrückt. Mach, was du willst. Ich rufe dich wieder an, sobald ich hier klarer sehe.«
»Du könntest doch auch hierher kommen.«
»Ich glaube nicht, daß das eine sehr gute Idee wäre.«
»Wieso nicht? Im Haus ist genügend Platz. Mamamma könnte -«
»Sie mögen mich nicht, und du weißt auch, warum, Molly. Jedesmal, wenn sie mich sehen, erinnere ich sie.«
»Das ist nicht fair, Will, und wahr ist es auch nicht.«
Graham war sehr müde.
»Na gut. Sie reden nichts als Scheiße, und sie gehen mir fürchterlich auf die Nerven - findest du das besser?«
»So etwas darfst du nicht sagen.«
»Die interessiert doch nur der Junge. Vielleicht mögen sie sogar auch dich - doch, vermutlich schon - das heißt, falls sie sich darüber jemals Gedanken gemacht haben. Aber im Grunde genommen interessiert sie nur der Junge, und dich nehmen sie eben in Kauf. Von mir wollen sie jedenfalls nicht das geringste wissen, und ich könnte nicht behaupten, daß mir das etwas ausmacht.
Ich möchte, daß du bei mir bist. In Florida. Und auch Willy, sobald er sein Pony über hat.«
»Du

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