Nachtschicht
Vorwort
Unterhalten wir uns, Sie und ich. Unterhalten wir uns über Angst.
Das Haus ist leer, während ich diese Zeilen schreibe. Drau-
ßen fällt ein kalter Februar-Regen. Wenn der Wind aus der Richtung weht, aus der er gerade weht, haben wir manchmal Stromausfall. Aber im Augenblick brennt das Licht noch, also reden wir ganz aufrichtig über Angst. Reden wir darüber, wie man an den Rand des Wahnsinns kommt … und vielleicht auch noch ein Stück darüber hinaus.
Ich heiße Stephen King. Ich bin ein erwachsener Mann mit einer Frau und drei Kindern. Ich liebe sie, und ich glaube, daß dieses Gefühl erwidert wird. Mein Job ist das Bücherschreiben, und dieser Job gefällt mir sehr gut. Zur Zeit bin ich körperlich in einigermaßen gesunder Verfassung. Während des letzten Jahres habe ich geschafft, mir statt des filterlosen Krauts, das ich seit meinem achtzehnten Geburtstag geraucht habe, leichte Filterzigaretten mit niedrigem Nikotin- und Teergehalt anzuge-wöhnen. Ich hoffe immer noch, daß ich es mir eines Tages ganz abgewöhne. Meine Familie und ich leben in einem hübschen Haus neben einem relativ sauberen See in Maine. Im letzten Herbst wachte ich eines Morgens auf und sah einen Hirsch auf dem Rasen hinter unserem Haus neben dem Gartentisch. Wir führen ein gutes Leben.
Trotzdem … reden wir über Angst. Wir wollen die Stimme dabei nicht heben, und wir werden nicht schreien. Wir unterhalten uns auf einer völlig rationalen Ebene, Sie und ich. Wir reden über die Art, auf die sich das schöne Gefüge der Dinge unserer Welt manchmal mit schockierender Plötzlichkeit auflöst.
Wenn ich abends ins Bett gehe, achte ich noch immer sorgfältig darauf, daß meine Beine schön unter der Decke liegen, sobald ich das Licht ausknipse. Ich bin kein kleiner Junge mehr, aber … ich schlafe nicht gerne mit einem aufgedeckten Bein.
Denn wenn eine kalte Hand von unter dem Bett nach meinem Fußgelenk greift, dann würde ich laut kreischen. Ja, ich würde schreien, daß die Toten aufwachen. Natürlich passiert so etwas nicht, und wir alle wissen das. In den folgenden Geschichten werdet! Ihnen alle möglichen Arten von Nachtgeschöpfen begegnen: Vampire, Wiedergänger, das Ding, das im Kleiderschrank haust, jede Art von Horror. Nichts davon ist real. Das Ding, das unter dem Bett darauf lauert, meinen Fuß zu packen, ist nicht real. Ich weiß das, aber ich weiß auch, daß es mich nie erwischen wird, solange ich meinen Fuß gut unter der Decke halte.
Manchmal spreche ich vor Menschen, die an der Schriftstellerei oder an Literatur interessiert sind, und bevor das »Bitte stellen Sie jetzt dem Autor Ihre Frage« vorbei ist, steht immer jemand auf und stellt die Frage: »Warum haben Sie sich entschieden, über solche grauenvollen Dinge zu schreiben?«
Normalerweise antworte ich darauf mit der Gegenfrage:
»Warum nehmen Sie an, ich hätte mir das frei aussuchen können?«
Das Schreiben ist eine Art »Catch-as-catch-can«. Wir alle scheinen bestimmte Sorten Filter im Kopf zu haben, und diese Filter haben ihre unterschiedlichen Größen und Dichten. Was in meinem hängenbleibt, kann bei Ihnen durchrutschen, und umgekehrt. Wir alle scheinen auch ein Bedürfnis eingebaut zu haben, uns das Zeug regelmäßig genauer anzusehen, das sich in unseren Wahrnehmungsfiltern ansammelt. In der Regel beschäftigen wir uns nebenher damit. Der Kassierer ist Hobby-photograph. Der Astronom mag Münzen sammeln. Der Lehrer zeichnet in seiner Freizeit Grabsteine nach. Der Müll aus dem Filter im Kopf, was einem dort hängenbleibt, wird meist unsere private Leidenschaft - unser »Hobby«, wie wir uns in einer zivilisierten Gesellschaft geeinigt haben, die Sache zu nennen.
Manchmal kann dieses Hobby auch zu einer Vollzeitbeschäftigung werden. Der Kassierer stellt vielleicht fest, daß er mit seinen Photos genug Geld verdienen kann, um die Familie durchzubekommen. Und es gibt einige Beschäftigungen, die als Hobby beginnen und Hobbies bleiben, selbst wenn der Hobbyfreund damit längst seinen Lebensunterhalt verdient.
Aber weil Hobby so ein gewöhnlich und alltäglich klingendes Wort ist, haben wir uns auch wortlos darauf geeinigt, daß wir unsere professionellen Hobbies »Kunst« nennen.
Malerei, Bildhauerei, Komposition, Gesang, Schauspielerei.
Das Spielen eines Musikinstrumentes. Allein über diese sechs Beschäftigungen sind genug Bücher geschrieben worden, um … damit eine ganze Flotte von Luxusdampfern zu versenken.
Doch die einzige
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