Rotglut
ihn die letzte Kraft gekostet. Noch einmal bewegten sich seine Lippen. Jule konnte kaum noch verstehen, was er sagte. »Kein Fuchs«, es war kaum mehr als ein Wispern.
Sie beugte sich noch ein wenig näher herab, ihr Ohr berührte fast seinen Mund. Sie war sich nicht sicher, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Ein letztes Mal bewegte der Sterbende seine Lippen. Es schien ihr, als hätte er noch einen Namen gehaucht. Sie schloss die Augen und prägte sich das letzte Wort des Mannes so genau ein, wie sie es glaubte, verstanden zu haben: Stegmann.
27. Juni 2010, 20 Uhr, Bremen
Wie die Hinfahrt nach Lilienthal, verlief auch die Rückfahrt nach Bremen mehr oder weniger schweigend. Manfred Johannsmann hielt die Augen geschlossen und schmunzelte nur ab und zu vor sich hin. Heiner Hölzle war dies mehr als recht. Nur ein einziges Mal hatte Christianes Vater das Wort an ihn gerichtet. ›Bringen Sie mir doch noch ein Bier.‹ Hölzle hatte die bissige Antwort, die ihm auf den Lippen lag, hinuntergeschluckt. Zumindest das Spiel war klasse gewesen, wenigstens aus deutscher Sicht. 4:1 war ein Ergebnis, das sich wirklich sehen lassen konnte. Heiner Hölzle hatte die Zeit mit seinen Kollegen und Freunden genossen, wobei ihm nicht entgangen war, wie Manfred Johannsmann sich wie ein Pfau vor der Rechtsmedizinerin aufführte und wahrscheinlich die Hälfte des Spiels überhaupt nicht mitbekommen hatte.
»Jetzt drehen Sie doch mal die Klimaanlage ab«, meldete sich Manfred nun doch zu Wort. »Sie wollen wohl, dass ich mir eine Lungenentzündung einfange.«
Hölzle hätte sie am liebsten auf Minusgrade eingestellt, aber eine Erkältung konnte auch er sich nicht leisten. Ohne eine Miene zu verziehen, schaltete er die Klimaanlage aus.
Als sie nun zu Hause beim Essen saßen, fand Manfred seine Sprache wieder und schwärmte in den höchsten Tönen von der attraktiven Medizinerin.
»Das ist ja mal eine tolle Frau, sieht klasse aus, charmant, intelligent, erfolgreich und steht mit beiden Beinen im Leben. Also wirklich, da gibt es nichts auszusetzen. Ein absolutes Prachtweib.«
Ruth Johannsmann wurde immer kleiner und grauer, saß nahezu geduckt am Tisch und schwieg.
»Und zudem spricht sie ja auch noch fließend Französisch. Das habe ich gleich ausgenutzt, um meine Französischkenntnisse mal wieder an den Mann, oder besser an die Frau, zu bringen«, schwärmte und prahlte er weiter. »Sie stammt ja aus dem Saarland und promoviert hat sie an der Universität Lausanne …«
Hölzle ärgerte sich. ›Des gibt’s doch gar net. Der woiß jo mehr über die Sabine als i. Alter Labersack. Ond dass die aus’m Saarland isch, han i no nie gmerkt. Do braucht die sich gar net so anstella, wenn i mol Schwäbisch schwätz. Die verstoht jo alles.‹
»Ja und? So besonders ist das auch nicht …«, warf er dann ein, um Manfred zu stoppen.
Doch Christiane, die sich über ihren Vater ärgerte und deren Eifersucht aufgeflammt war, als sie hörte, dass die gut aussehende Pathologin auch anwesend gewesen war, fuhr dazwischen.
»Ach, das hast du mir ja gar nicht gesagt, dass Frau Doktor Supertoll auch zum Fußball geht«, giftete sie ihren Freund an. Hölzle rollte mit den Augen. ›Et scho wieder die gleich’ Leier‹, dachte er.
»Wusste ich ja auch nicht. Und wenn schon? Wen interessiert’s denn?«, gab er muffig zurück.
»Ich kenne diese Frau ja nicht, aber die ist bestimmt im Sternzeichen Löwe geboren«, gab Carola zum Besten, »und dann ist sie nach dem indianischen Sternzeichen ein Lachs. Zielstrebig, steht gern im Rampenlicht und lässt sich anhimmeln. Die Löwin ist eine starke Frau, weiß genau, wie sie auf Männer wirkt, und braucht sie gar nicht, weil sie sich selbst genug ist«, plapperte sie weiter. Hölzle fragte sich ernsthaft, ob Christiane damals als Baby im Krankenhaus vertauscht worden war, denn sie passte so gar nicht zum Rest ihrer Familie. Doch leider sah Carola Christiane zu ähnlich und er verwarf den Gedanken wieder. Er wechselte einen Blick mit Tante Marthe, erfreut feststellend, dass auch sie leicht genervt von der Verwandtschaft war.
Marthe war die jüngere Schwester von Manfreds Vater, der, laut Christiane, ein kleiner Tyrann gewesen war. Das hatte er offensichtlich an Manfred weitervererbt. Doch Marthe war Gott sei Dank ganz anders, sonst wären Christiane und Heiner auch niemals in Marthes Haus eingezogen.
Das Gespräch schleppte sich dahin, Carola gab weiterhin Unsinn zum Besten, Manfred schwadronierte auf
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