Rotglut
zusammen mit Ferdinand Theuerholz in einem kleinen Restaurant im Schnoorviertel, einem der beliebtesten Touristenziele Bremens. Sie unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Es herrschte wie immer rege Betriebsamkeit, scharenweise drängelten sich die Menschen durch die engen Gässchen und machten an jedem Schaufenster der kleinen Lädchen halt.
»Der Junge kann doch nichts für die Vergangenheit des Vaters seiner Halbschwester«, sagte Bertram soeben, »jetzt krieg dich doch mal wieder ein. Es wäre lächerlich, die Verlobung lösen zu wollen. Wir leben doch nicht mehr im 18. Jahrhundert.« Er piekte energisch ein Stückchen Pannfisch auf seine Gabel, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Die beiden lieben sich und sollen heiraten wie geplant«, fuhr er fort und spülte den letzten Bissen mit einem Schluck Chardonnay hinunter.
Ferdinand Theuerholz blickte immer noch grimmig auf seinen Teller und stocherte in seinem Krabbensalat herum. »An mir liegt’s ja nicht unbedingt, ich wusste ja, was auf mich zukommt, aber ich fürchte, dass Elvira …«
»Herrgott noch mal, ich kann ja verstehen, dass sie nicht mehr an die Geschichte von damals erinnert werden will. Aber das wird sie ja auch nicht. Sie weiß doch gar nicht, wer Stegmann ist – oder besser, war. Und niemand kann mit Gewissheit sagen, ob Stegmann eine Mitschuld an Rosenbergs Tod trug …«
»Natürlich war er daran beteiligt«, unterbrach Theuerholz und fuhr sich durch das dichte, graumelierte Haar, »schließlich war er mit der Übergabe betraut. Das kannst du dir nicht schönreden. Das Geld war weg, Stegmann später auch, und Rosenberg letztlich tot.« Er legte das Besteck zur Seite und tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab. »Da gibt es nichts dran zu rütteln. Warum glaubst du denn, hat Raimund alle glauben gemacht, er sei bei diesem Unfall umgekommen? Der hat sich mit der Kohle aus dem Staub gemacht, das ist jetzt ja wohl sonnenklar.«
Uhlenbruck leckte sich die Lippen und beendete ebenfalls seine Mahlzeit. »Und jetzt ist er wirklich tot. Aus, Ende, finito. Wen interessiert es denn? Niemand weiß etwas von Stegmanns früheren Tätigkeiten. Und das wird auch so bleiben. Abgesehen davon, muss deine Frau überhaupt nichts Weiteres erfahren.«
Ferdinand Theuerholz musterte sein Gegenüber eingehend.
»Das kann dir ja nur recht sein. Hannelore wäre sicher auch nicht begeistert, wenn sie erfährt, dass du von all dem gewusst hast. Dass er durch die Bahnhofgeschichte endgültig ins Abseits gekickt werden sollte, falls er für den Verein zu lästig würde, war zwar Lutz’ Idee, aber du wusstest genauestens Bescheid. Stegmann war ja nicht blöd, und ihm blieb doch gar nichts anderes übrig, als zu verschwinden. Und du hattest doch da schon lang ein Auge auf Hannelore geworfen.«
»Dir hat die Geschichte auch nicht geschadet, schließlich bist du später schnell die Karriereleiter hinaufgefallen«, zischte Uhlenbruck.
Ferdinand Theuerholz sah Bertram eindringlich an. »Und weißt du was? Ich glaube nicht, dass Raimunds Vergangenheit auf ewig im Dunkeln bleibt.«
Der Mann am Nebentisch stand auf und faltete seine Zeitung zusammen. Dabei stieß er versehentlich an Uhlenbrucks Stuhl. »Verzeihung«, entschuldigte er sich. Uhlenbruck sah kurz auf, brummte ein »Schon in Ordnung« und dachte bei sich, dass der junge Mann mit seiner Akne ganz schön gestraft war. Dann wandte er sich wieder Theuerholz zu.
»Hannelore wäre mit Raimund nie glücklich geworden. Und hätte er nicht selbst die Reißleine gezogen, hätten es andere getan«, konterte er, »entweder der Verein oder die Leute, die er bespitzelt hat. Und du wirst mir doch nicht ernsthaft damit drohen wollen, Hannelore Bescheid zu sagen?«, fügte er mit zweifelndem Blick hinzu.
Ferdinand Theuerholz winkte ab. »Quatsch. Lass gut sein, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Mir ist es ja letztlich auch egal.« Er schwieg einen Augenblick. Dann lehnte er sich weit über den Tisch und flüsterte: »Mal ehrlich, Bertram, hast du etwas mit Stegmanns Tod zu tun?«
Uhlenbruck wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Bist du verrückt geworden?«, zischte er. Bertram nahm beiläufig wahr, dass der junge Mann, der am Nebentisch gesessen hatte, nun an einem anderen Tisch saß. ›Merkwürdig‹, dachte er, ›na ja, vielleicht ist es ihm hier in der Sonne auch zu heiß geworden und jetzt hat er einen Schattenplatz ergattert.‹ Das kurze Misstrauen, das der Tischwechsel in ihm
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