Rotglut
im Moment nichts ab. Nicht, dass sie von Delano mehr wollte – oder vielleicht doch? –, aber sie genoss es ganz einfach, mit diesem Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle etwas Zeit zu verbringen. Spontan hatte Christiane Mark zu ihrer Party eingeladen, doch jetzt war sie sich nicht mehr sicher, ob das wirklich eine so gute Idee gewesen war. Aber rückgängig machen konnte sie das nun auch nicht mehr.
Es klingelte. Christiane schaute auf die Uhr. Genau 9:30 Uhr. ›Hut ab‹, dachte sie, Michaela war superpünktlich. Sie ging zur Tür, drückte den Summer, um ihre Freundin hereinzulassen, und öffnete die Tür zum Hausflur einen Spaltbreit.
»Bin in der Küche!«, rief sie, als sie Schritte vernahm. Sie kostete den Dip, schleckte den Löffel ab und fand, dass ihr diese Auberginenkreation außerordentlich gut gelungen war.
»Schmeckt’s?«
Christiane fuhr herum. Im Türrahmen lehnte, lässig und wie immer unverschämt gut aussehend, der Mann, an den sie gerade gedacht hatte. Mark Delano.
»Äh«, stotterte sie los, »was machst du denn hier?« Schon beim zweiten Treffen hatten sie auf das steife ›Sie‹ verzichtet. »Die Party ist erst heute Abend.«
Er lächelte. »Ich weiß, aber du hast mir nicht gesagt, wo sie stattfindet. Nur, dass du nicht zu Hause feierst.«
Sie freute sich zwar, ihn zu sehen, aber wegen einer solchen Lappalie hätte er nicht vorbeikommen müssen. »Du hättest mich auch anrufen können, du siehst ja, ich bin beschäftigt.«
Delano trat einen Schritt auf sie zu und strich mit dem Zeigefinger über ihren rechten Mundwinkel. »Du hast da was von deiner Köstlichkeit hängen. Und ja, ich hätte anrufen können, aber ich wollte dich noch einmal kurz allein sehen.« Er leckte seinen Zeigefinger ab und hob leicht die dunklen Augenbrauen.
Seine Nähe ließ sie, trotz des Anflugs von Ärger, den sie zu Anfang verspürt hatte, schwach werden wie eine Teenagergöre bei ihrem ersten Date und sie merkte, wie ihre Knie weich wurden und ihr Herz schneller schlug. Bevor sie sich’s versah, hob er mit der rechten Hand sanft ihr Kinn an und küsste sie auf den Mund.
»Guten Morgen, die Tür stand offen!«, riss Michaelas Stimme, die vom Flur her erklang, Christiane aus ihrer köstlichen Erstarrung. Delano und Christiane fuhren auseinander, nur wenige Augenblicke, bevor Michaela die Küche betrat.
Fragend schaute sie von einem zum andern und erfasste die Situation. »Ich kann auch wieder gehen, mein Bett ist noch warm.«
Christiane umarmte ihre Freundin. »Nein, Blödsinn. Das ist übrigens Mark«, stellte sie vor, ihr Herz raste vor schlechtem Gewissen, weil sie sich – zu Recht – von Michaela ertappt fühlte.
»Hallo, ich bin Michaela«, reichte die Ärztin dem Mann die Hand, ohne sich das Geringste davon anmerken zu lassen, was sie von der ganzen Sache hielt.
»Nett, Sie kennenzulernen. Leider muss ich los, aber wir sehen uns später, sofern mir Christiane die Adresse verrät, wo die Party stattfindet.« Mit einem schiefen Grinsen wandte er sich zum Gehen.
»Fohlenweide 39 in Oberneuland. Bis später«, sagte Christiane mit zittriger Stimme. Dann war Mark verschwunden.
»Was war das denn?«, fragte Michaela misstrauisch. »Hast du was mit dem?«
Christiane lehnte sich an die Arbeitsplatte. »Nein«, wehrte sie ab. Sie schwieg für eine Sekunde, dann sagte sie: »Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Er ist so – wie soll ich sagen – charmant. Toll. Hat Einfühlungsvermögen. Kennt sich mit Geschichte aus. Ich kann super mit ihm reden …«
»Und was ist mit Heiner?«, unterbrach Michaela schroff.
Christiane runzelte die Stirn. »Eigentlich ist alles okay. Eigentlich. Aber mal ehrlich, er hat echt wenig Zeit, interessiert sich nicht für das, was ich mache, er und mein Vater kommen nicht klar und …«
»He, du wirst ungerecht«, unterbrach Michaela. »Dein Freund interessiert sich sehr wohl für deine Arbeit und dein Hobby. Erst neulich hast du mir noch strahlend erzählt, dass er mit dir zu einem kunsthistorischen Vortrag war und sogar im Stall lässt er sich ab und an blicken. Und ob er mit deinem Vater kann oder nicht, spielt keine Rolle, oder besser, sollte keine spielen. Ihr beide müsst klarkommen.«
Ihre Freundin schlug die Augen nieder. »Ja, du hast ja recht. Aber, Mark …«, sie brach ab.
»Gut, der Typ sieht echt super aus, kein Thema. Aber ist es das wert? Ich glaube, du verrennst dich da in etwas. Und habe ich das richtig verstanden, du hast ihn zu deiner
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