Rotglut
Weidner, der bei der Karstadt-Eröffnung mit dabei war, hat sich später umgebracht. Was sagt ihr dazu?«
Hölzle fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Hm, hatte der nicht zuerst behauptet, dass Stegmann den Polizisten erschossen hatte? Also, dass die Kugel kein Querschläger gewesen ist?«
Peter nickte. »Genau. Und dann hat er bei der letzten Gerichtsverhandlung das Gegenteil behauptet. Und weißt du was? Berichte von Ballistik und Obduktion fehlen in der Akte. Jetzt kam mir eine Idee. Seit wann arbeitete Stegmann für den Verfassungsschutz?«
Harry blätterte in seinen Notizen. »Wenn ich mir das so anschaue, hat Stegmann erst nach dem Karstadt-Attentat beim Verfassungsschutz angefangen.«
»Na, klingelt’s?« Peter sah seine Kollegen erwartungsvoll an.
»Du meinst, das Attentat war der Auslöser für den Verfassungsschutz, Stegmann anzuheuern?«, überlegte Hölzle laut. »Das würde bedeuten, dass er damals schon unter Beobachtung stand. Und sie haben ihn mit dem Tod des Polizisten erpresst und einige Beteiligte geschmiert. Sprich: den zuständigen Arzt der Rechtsmedizin, den Zeugen und wahrscheinlich auch die Staatsanwaltschaft.«
Peter grinste über beide Ohren. »Haargenau.«
Hölzle fuhr sich mit beiden Händen durch seine ohnehin schon zerzausten Haare. Das Ergebnis sah aus wie ein aufgeplatztes Sofakissen. »Und hieraus«, er deutete auf die Aktenordner, die vor ihm lagen, »geht hervor, dass der Verfassungsschutz auch die Hände bei der Rosenberg-Entführung mit im Spiel gehabt haben muss, denn Stegmann hat das Lösegeld überbracht.«
Peter Dahnken sah ihn fragend an. »Ich versteh nicht ganz.«
»Pass auf. Hier steht«, er deutete auf einen der Ordner, »dass Stegmann das Lösegeld übergeben sollte, aber von den Tätern zusammengeschlagen wurde. Mission gescheitert. Das Geld war weg und Rosenberg musste trotzdem sterben. Was, wenn Stegmann Scheiße gebaut hat und mitschuldig ist an Rosenbergs Tod? Ich hab vorhin schon zu Harry gesagt, dass Stegmann womöglich das Geld für sich behalten hat. Ich meine, er hat sich doch einige Monate später ins Ausland abgesetzt. Das alles kostet Geld. Falscher Pass, Aufbau einer neuen Identität, der Erwerb des Strandlokals.«
Harry stieg mit ein. »Das würde wiederum bedeuten, dass der Verfassungsschutz Stegmann eliminiert hat. Die hatten Angst, dass er auf seine letzten Tage auspackt.«
»Und das heißt, unsere Vermutung, jemand von der Elfenbeinküste verfügte über genügend Geld und Einfluss, um Stegmann beseitigen zu lassen, passt dazu hervorragend«, setzte Peter hinzu.
Die drei Kriminalbeamten sahen sich an. »Sind wir nicht ein unschlagbares Team?« Es war keine Frage Hölzles, sondern lediglich eine erfreute Feststellung.
7. August 2010, Bremen
Schon seit dem frühen Morgen war Christiane mit den Vorbereitungen für ihre Party beschäftigt. Im Augenblick stand sie in der Küche und hatte bereits die ersten Olivenstangen in den Ofen geschoben, nun bereitete sie einen Auberginen-Dip zu. Sie freute sich darauf, ihre Gäste mit kleinen Leckereien zu verwöhnen, und hatte dafür eine bunte Mischung von Canapés sowie diverse Salate geplant. Ihre Freundin Michaela Nölle hatte sich erboten, gegen halb zehn vorbeizukommen und ihr zu helfen. Dies war für Michaela eine unglaublich frühe Zeit, denn sie tat sich, wenn sie mal frei hatte, mit dem Frühaufstehen äußerst schwer. Als leitende Ärztin eines Schlaflabors fühlte sie sich geradezu dazu prädestiniert, lange und ausgiebig zu schlummern. Christiane wusste es zu schätzen, dass die Freundin sich für sie heute früh aus den Federn schälte.
Christiane dachte zum wiederholten Mal an das Treffen mit Mark Delano gestern in der Mühle am Wall, und sie hatte schon ein schlechtes Gewissen. Bisher hatte sie Heiner nichts davon erzählt, dass sie sich ab und zu mit dem Polizeireporter traf. Ihr Freund hätte dies sicher nicht gutgeheißen. Sie aber genoss die Gespräche mit dem charmanten Halbitaliener, vor allem, weil Heiner in der letzten Zeit so wenig zu Hause war. Eigentlich kam er nur noch zum Essen und zum Schlafen vorbei. Natürlich war Christiane von Anfang an klar gewesen, dass das Zusammenleben mit einem Polizisten nicht immer einfach war. Kaum hatte man ein paar Stunden für sich, rief bereits kurzfristig der nächste Einsatz. Aber so schlimm wie zurzeit war es noch nie gewesen. Außer einem flüchtigen Kuss und einer Umarmung zwischen Tür und Angel spielte sich sowieso bei ihnen
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