Rotlichtkrieg: Auf Leben und Tod gegen die Hells Angels (German Edition)
der Krieg ums Rotlicht. Denn meine Leute und ich, wir wehrten uns.
Es kam zu Schießereien auf offener Straße, verängstigte Bürger wurden Zeuge, wie sich verfeindete Zuhälter umzubringen versuchten. Die braven Hamburger konnten nicht mehr in den Puff gehen, ohne Angst zu haben, dass in der nächsten Sekunde die Tür auffliegt und ein Rollkommando hereinstürmt. Bald forderten Politiker ein hartes Durchgreifen. Die Polizei richtete die SoKo »Rotlicht« ein.
Und ich war mittendrin.
Mein Name ist Jan Sander. Nachdem ich in einem polnischen Puff namens »Miami« für Ruhe gesorgt hatte, bekam ich im Milieu den Spitznamen »Miami Gianni«.
Ich werde euch in diesem Buch meine Lebensgeschichte erzählen. Ich träume oft von etwas, das ihr wahrscheinlich habt: von einer Familie und einem ruhigen Job, um ihr ein gutes Leben zu ermöglichen.
Ich hatte nie einen ruhigen Job und ich hatte auch nie eine Familie. Weil ich mich für ein anderes Leben entschieden habe, meistens bewusst, aber auch, weil ich manchmal keine andere Möglichkeit hatte.
Ich mag vieles an diesem Leben: Männer, die auf meine Kraft und meinen Einfluss vertrauen. Viel Geld. Partys mit den schönsten Frauen. Auf Koks zu ficken.
Wahrscheinlich seid ihr auch schon Menschen begegnet, die euch nerven. Weil sie euch nicht respektieren, euch vorschreiben wollen, was ihr tun sollt, euch die Freiheit rauben. Das kann euer Boss sein oder ein Neider oder Männer, die an eure Frauen wollen. Vielleicht habt ihr dann schon einmal darüber nachgedacht, euch in aller Konsequenz dagegen aufzulehnen. Aber ihr macht es nicht. Wenn mich einer nicht respektiert hat, habe ich das gemacht, ohne lange zu überlegen. Oder gleich auf den Hurensohn geschossen.
Aber ich weiß auch, wie hoch der Preis für dieses Leben ist. Wie es sich anfühlt, wenn ein Rivale einem eine Klinge in den Kiefer rammt. Wie es ist, sich unter falscher Identität verstecken zu müssen. Und ich weiß, wie man überlebt, wenn Hells Angels und Albaner nach einem suchen.
Ich will euch erklären, warum ich in den Krieg ziehen musste. In einen Krieg, in dem ich viel verloren habe und ein paarmal sogar fast mein Leben. In einen Krieg, der immer noch nicht zu Ende ist.
»Titty Twister«
Aus der Hölle
Beim Frühstück im Internat sitzen wir 25 Jungs an einem Tisch im Speisesaal. Auf dem Tisch stehen kleine Schüsseln mit Nutella, Marmelade, Schokostreuseln. Jeder kann zugreifen, aber das Angebot ist natürlich begrenzt. Wenn 25 Jungs von den Streuseln essen, ist die Schüssel irgendwann leer. Wie bei einem Rudel Hunde frisst der Stärkste zuerst. Und für den 15. in der Hackordnung ist dann eben nichts mehr übrig. Der Barmherzige achtet darauf, dass etwas übrig bleibt. Aber der Egoist schlingt nur noch schneller, weil er nicht will, dass die anderen etwas abbekommen.
Am gierigsten von uns ist Markus. Er ist einer der Stärksten in unserer Gruppe, ein Psychopath, es bereitet ihm die größte Freude, die schwächeren Kinder zu quälen.
Eines Morgens wagt es Paul, ein Junge, der neu in der Gruppe ist, sich an der Schüssel mit den Streuseln zu bedienen. Paul ist klein und schlaksig, ein vorsichtiges und ängstliches Kind. Mit uns anderen hat er noch kaum Kontakt aufgenommen. Zu den Streuseln greift er wohl nur, weil er nichts über unsere Rangordnung weiß. Er hätte sich sonst sicherlich nie getraut, die Stärkeren zu provozieren. Das weiß Markus auch, aber er sieht die Chance gekommen, seine sadistische Neigung mal wieder an einem Schwächeren auszuleben.
Für alle hörbar sagt er zu Paul: »Wenn das Essen vorbei ist, werde ich dich schlachten.«
Die Erzieherin, die uns beaufsichtigt, interessiert sich nicht weiter dafür. Sie will das wohl einfach nicht hören. Weggucken ist schließlich bequemer, als sich einzumischen. Paul rührt nichts mehr vom Essen an. Er sitzt nur zitternd auf seinem Stuhl. Als alle fertig gegessen haben, müssen die Erzieherinnen ihn mehrfach ermahnen, vom Tisch aufzustehen und zu uns anderen zu gehen.
Es gelingt Paul den ganzen Tag, Markus aus dem Weg zu gehen. Aber am Abend, als wir auf unsere Zimmer müssen, nimmt sich Markus Paul dann vor. Er jagt den panischen Jungen quer über den Gang, treibt ihn in sein Zimmer. Da verprügelt er das wehrlose Kind. Als eine Erzieherin Pauls Schreie hörte, geht sie dazwischen.
»Was ist los?«, fragt sie.
Markus schaut sie wütend an, denn er ist enttäuscht, dass sein Gewaltexzess früher vorbei ist als gedacht. Dann sagt
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