Rotzig & Rotzig
jankte. „Aha“, sagte Edna Mohr kritisch und wischte sich die Hände an ihrer Kittelschürze ab.
Menden hatte das für mich eingefädelt, und Edna war sofort einverstanden gewesen.
„Wer von euch ist Yves? Aha. Dann bist du also Sean. Sehr schön. Ich bin Edna. Und jetzt Schuhe aus, und ab mit euch ins Bad, Nasen putzen, Hände waschen, Haare kämmen, dann zu Tisch!“
Die Jungs tauschten einen ihrer raschen Blicke, gehorchten aber ohne Widerspruch. Anpassungsfähigkeit, das wusste schon Darwin, ist ja ein Schlüssel zum Überleben.
„Das gilt auch für Sie!“ Hoppla.
Nasen geputzt und alles, nahmen wir Platz, und Edna stellte die Töpfe auf den Tisch, verteilte das Essen. Es gab Gulasch, Semmelknödel, Rotkohl. Wir langten zu. Edna beobachtete uns mit Argusaugen, korrigierte schon im Ansatz die Tischmanieren. „Hält man so eine Gabel? Nehmt euch ein Beispiel an Kristof, der macht das schon ganz ordentlich.“
„Und, schmeckt's?“, fragte ich in das etwas perplexe, konzentrierte Schweigen hinein. „Boah, meine Fresse, voll geil, ey!“ Ein scharfes Klack, scharf wie ein Peitschenhieb, und wir stoppten alle mitten in der Bewegung. Edna Mohr hatte ihr Messer auf den Tisch geknallt. „Ich dulde solche Sprache nicht“, sagte sie ruhig, wenn auch unerbittlich. „Also, Sean, was wolltest du sagen?“ Sean sah hilfesuchend zu Yves, doch der blickte selber ratlos.
„Das, äh, Essen ist voll lecker.“
„Voll?“
„Total.“
„Sehr lecker“, sprang Yves ein.
„Schon besser. Schön, dass es euch schmeckt. Dann esst auf. Kristof räumt anschließend den Tisch ab, Yves spült, Sean trocknet ab.“
„Und was tust du inzwischen?“, fragte Sean, gefährlich kess.
„Ich passe auf, dass ihr auch alles richtig macht.“ Edna verzog nicht eine Miene. „Anschließend könnt ihr beiden eure Schlafanzüge anziehen. Heute wird früh zu Bett gegangen, denn wir wollen morgen früh auf sein. Und ich habe genau gesehen, dass du die Augen verdreht hast, Yves.“
Die Jungs brachten mich noch zur Tür.
„Ey, Hausmeister“, raunte Sean, „soll das etwa heißen, wir müssen jetzt bei der bleiben?“
„Nein, ihr könnt auch jederzeit ins Heim.“
„Die ist aber voll streng.“
„Streng? Ihr habt ja keine Ahnung. Ihr solltet sie mal erleben, wenn sie sauer ist. Dann ist die Kacke am dampfen, ich sag's euch.“
„Ey, Mann.“ Yves sah sich wild um. „Pass bloß auf deine Sprache auf!“
Und wir grinsten uns eins, wir drei.
EPILOG
Ich stellte den Porsche im Parkhaus unter der Schloßstraße ab und ging die paar Schritte zu Fuß nach Hause.
Siebling leugnete, Wittig leugnete, Reiff würde sicherlich auch erst mal alles abstreiten. Keiner wollte etwas Unrechtes getan haben, keiner war sich irgendeiner Schuld bewusst. Peelaert hatte sich elegant vom Acker gemacht, und Onkel Ali kam frei. Ein Geschmack von Galle legte sich auf meine Zunge, als ob er zu bleiben gedachte. Onkel Ali kam frei.
Es war an der Zeit, diesen beschissenen Beruf an den Nagel zu hängen. Risiko und Ertrag stehen in keinem auch nur halbwegs zu rechtfertigenden Verhältnis zueinander. Vom Gefühl, etwas erreicht zu haben, ganz zu schweigen. Onkel Ali kam frei.
Das Apartment war ein wenig muffig, deshalb öffnete ich die Balkontür. Nächtliche Hochhausgeräusche drangen herein, also hauptsächlich Fetzen von Fernsehdialogen und familiären Disputen.
Ich griff mir ein Bier, füllte Struppi seinen Napf, knipste das Radio an. Drehte es leise, als ich das Blinken des ABs bemerkte. Leblanc bat um Rückruf.
„Eigentlich wollte ich mich nur erkundigen, ob mein Auto noch an einem Stück ist.“
„Klar doch.“ Die Backe war abgeschwollen, der Zahn raus, doch mein Kiefergelenk war immer noch nicht für längere Monologe zu begeistern, und die Stimmbänder verursachten weiterhin Nebengeräusche, die an das Pfrrrr eines schlaffen Gummizuges denken ließen. „Wir haben am zweiten Januar eine Anhörung wegen der Flughafengeschichte. Elf Uhr morgens. Seien Sie pünktlich.“ Ich versicherte es.
„Jetzt was anderes: Ich kriege ein Budget. Ein feistes Budget, um die Schicksale aller jemals aus dem Hause Reiff verschwundenen Kinder zu recherchieren. Ihr Hauptkommissar Menden hat durchblicken lassen, dass das - wie hat er sich ausgedrückt? - dass das einer der ganz wenigen Aufgabenbereiche ist, die man Ihnen unter bestimmten zwingenden Umständen möglicherweise anvertrauen könnte. Oder so ähnlich. Kommt es mir nur so vor, oder tut sich
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