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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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einem alles Unverhoffte alle Geisteskraft raubt? Zwinge ich mich, mit den Leuten, die ich treffe, zu reden, so sage ich unfehlbar eine Dummheit; sage ich nichts, so bin ich ein Menschenfeind, ein wildes Thier, ein Bär. Vollkommene Geistesschwäche wäre mir weit vortheilhafter gewesen; aber die Talente, an denen es mir in der Welt gefehlt hat, sind die Ursache meines Verderbens gewesen, haben in mir ganz besondere Talente hervorgerufen.
    Gegen Ende desselben Aufenthalts that Frau von Luxembourg ein gutes Werk, an dem ich einigen Antheil hatte. Da Diderot sehr unkluger Weise die Frau Prinzessin von Robeck, Tochter des Herrn von Luxembourg, beleidigt hatte, so rächte sie Palissot, der ihr Schützling war, durch das Lustspiel »Die Philosophen«, in welchem ich lächerlich gemacht und Diderot arg mißhandelt wurde. Der Verfasser verfuhr gegen mich schonungsvoller, weniger, wie ich glaube, um der Verpflichtung willen, die er gegen mich hatte, als aus Furcht, dem Vater seiner Beschützerin, dessen Vorliebe für mich er kannte, zu mißfallen. Der Buchhändler Duchesne, den ich damals noch gar nicht kannte, schickte mir dieses Stück, sobald es gedruckt war, und ich vermuthe, daß er es auf Palissots Geheiß that, der vielleicht wähnte, ich würde einen Mann, mit dem ich gebrochen hatte, mit Freuden zerreißen sehen. Er täuschte sich sehr. Obgleich ich mit Diderot brach, den ich nicht sowohl für boshaft als für indiscret und schwach hielt, habe ich doch um unsrer alten Freundschaft willen, die, wie ich weiß, bei ihm lange eben so aufrichtig wie bei mir war, in meinem Herzen stets Liebe für ihn, sogar Achtung und Hochachtung bewahrt. Ganz anders verhält es sich mit Grimm, einem seinem Charakter nach falschen Menschen, der mich nie liebte, der nicht einmal der Liebe fähig ist, und der aus bloser Herzenslust, ohne irgend einen Grund zur Klage und lediglich zur Befriedigung seiner schändlichen Eifersucht sich im Geheimen zu meinem grausamsten Verläumder hergegeben hat. Dieser ist für mich nichts mehr, jener wird stets mein einstiger Freund sein. Mein Herz blutete beim Anblick dieses schandbaren Stückes; ich konnte die Lectüre desselben nicht ertragen und, ohne sie zu vollenden, schickte ich es Duchesne mit folgendem Briefe zurück:
    Montmorency, den 21. Mai 1760.
    »Bei flüchtiger Durchsicht des Stückes, welches Sie, mein Herr, mir gesandt, hat es mich entrüstet, mich gelobt zu sehen. Ich nehme dieses entsetzliche Geschenk nicht an. Ich bin überzeugt, daß Sie mich durch die Uebersendung nicht haben beleidigen wollen, aber Sie wissen nicht oder haben es vergessen, daß ich die Ehre gehabt habe, der Freund eines achtungswerthen Mannes zu sein, der in dieser Schmähschrift unwürdig besudelt und verleumdet ist.«
    Duchesne zeigte diesen Brief. Diderot, den er hätte rühren sollen, ärgerte sich über ihn. Seine Eigenliebe konnte die Ueberlegenheit eines so edelmüthigen Vorgehens nicht vergeben, und ich erfuhr, daß seine Frau überall gegen mich mit einer Bitterkeit loszog, die wenig Eindruck auf mich machte, da ich wußte, daß sie aller Welt als Fischweib bekannt war.
    Diderot fand seinerseits einen Rächer in dem Abbé Morellet, der nach Art des »Kleinen Propheten« eine Broschüre unter dem Titel »Die Vision« gegen Palissot schrieb. Sehr unkluger Weise beleidigte er in dieser Schrift Frau von Robeck, deren Freunde ihn in die Bastille sperren ließen, denn was sie anlangt, die von Natur wenig rachsüchtig und damals todtkrank war, so bin ich überzeugt, daß es von ihr nicht ausging.
    D'Alembert, der mit dem Abbé Morellet sehr befreundet war, forderte mich brieflich auf, Frau von Luxemburg um Herbeiführung seiner Freiheit zu bitten, wobei er ihr aus Dankbarkeit einen Lobartikel in der Encyklopädie [Fußnote: Dieser Brief ist mit mehreren andern in dem Hotel Luxembourg, während sie sich daselbst in Aufbewahrung befanden, verschwunden.] versprach. Ich lasse meine Antwort hier folgen:
    »Ich habe Ihren Brief, mein Herr, nicht abgewartet, um der Frau Marschall von Luxembourg den Schmerz zu schildern, den mir die Verhaftung des Abbé Morellet bereitete. Sie kennt den Antheil, den ich daran nehme; sie soll auch den erfahren, den Sie daran nehmen, und um selbst von Theilnahme für ihn erfüllt zu werden, würde es für sie genügen zu vernehmen, daß er ein Mann von Verdienst ist. Obgleich sie wie der Herr Marschall mich mit einem Wohlwollen beehren, das den Trost meines Lebens ausmacht, und obgleich der

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