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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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süßeren Gefühls meinen Zorn mäßigte und beruhigte. In Venedig hatte ich einen Biscayer kennen gelernt, einen Freund meines Freundes Carrio und würdig der jedes Ehrenmannes zu sein. Dieser liebenswürdige junge Mann, den die Natur mit allen Talenten und Tugenden ausgestattet, hatte vor kurzem eine Kunstreise durch Italien vollendet, und da er wähnte, jetzt alles Sehenswerthe erschöpft zu haben, wollte er geraden Weges in sein Vaterland zurückkehren. Ich sagte ihm, daß für einen Mann seines Genies, der für die Pflege der Wissenschaften geschaffen wäre, die Künste nur eine Erholung bildeten, und ich rieth ihm, um Neigung für das Studium zu bekommen, eine Reise nach Paris und einen sechsmonatlichen Aufenthalt daselbst an. Er glaubte mir und ging nach Paris. Bei meiner Ankunft war er bereits da und erwartete mich. Da seine Wohnung für ihn zu groß war, bot er mir die Hälfte davon an; ich nahm sein Anerbieten an. Ich fand ihn von Eifer für die höheren Wissenschaften durchglüht. Nichts war für seine Fassungskraft zu hoch; mit wunderbarer Geschwindigkeit verschlang und verdaute er alles. Wie dankbar er mir war, seinem Geiste, den Wissensdurst ihm selber unbewußt verzehrte, diese Nahrung verschafft zu haben! Was für Schätze des Wissens und der Tugenden fand ich doch in dieser starken Seele! Ich fühlte, daß dies der Freund wäre, dessen ich bedurfte. Wir wurden vertraute Freunde. Unsere Geschmacksrichtungen waren nicht die nämlichen; wir stritten beständig. Beide eigensinnig, waren wir über nichts einig. Trotzdem konnten wir nicht ohne einander sein, und obgleich wir uns unaufhörlich widersprachen, hätte doch keiner den andern anders gewünscht.
    Ignacio Emmanuel de Altuna war einer jener seltenen Menschen, die Spanien allein, wenn auch zu seinem Ruhme zu selten, hervorbringt. Er hatte nicht die heftigen Nationalleidenschaften seiner Heimat; von Rachgier war sein Geist eben so frei wie sein Herz von Verlangen nach Sinnenlust. Er war zu stolz, um rachsüchtig zu sein, und ich habe ihn oft mit größter Kaltblütigkeit sagen hören, daß ihn kein Sterblicher beleidigen könnte. Er war galant, ohne zärtlich zu sein. Er spielte mit den Frauen wie mit niedlichen Kindern. Gern war er bei den Geliebten seiner Freunde, aber ich habe nie eine bei ihm selbst gesehen oder ihm das Verlangen angemerkt, eine zu besitzen. Die Flammen der Tugend, die sein Herz durchglühten, ließen die Flammen der Sinnenlust nie in ihm auflodern.
    Nach seinen Reisen hat er sich verheirathet; er ist jung gestorben und hat Kinder hinterlassen, und ich bin so fest wie von meinem eigenen Dasein überzeugt, daß seine Frau die erste und die einzige ist, die ihn die Freuden der Liebe kennen gelehrt hat. Aeußerlich war er fromm wie ein Spanier, aber seine Seele erfüllte die Frömmigkeit eines Engels. Außer mir habe ich, so lange ich athme, keinen andern Menschen als ihn kennen gelernt, der von einer so aufrichtigen Duldsamkeit beseelt gewesen wäre. Er hat nie jemanden nach seinen religiösen Ansichten gefragt. Ob sein Freund Jude, Protestant, Türke, Frömmler oder Atheist war, das kümmerte ihn wenig, sobald er nur ein rechtschaffener Mann war. Hartnäckig, starrköpfig bei gleichgiltigen Ansichten, war er dagegen, sobald es sich um Religion oder auch nur um Moral handelte, zurückhaltend, schwieg oder sagte einfach: »Ich habe nur für mich zu sorgen.« Es ist unglaublich, daß eine so große Seelenerhabenheit mit einem bis ans Kleinliche streifenden Sinn für Geringfügiges vereinbar sein kann. Er theilte und regelte die Tagesgeschäfte im voraus nach Stunden, Viertelstunden und Minuten und hielt diese Einteilung mit solcher Pünktlichkeit inne, daß er mitten im Lesen eines Satzes, hätte die Uhr plötzlich geschlagen, das Buch geschlossen hätte, ohne ihn zu vollenden. Von allen diesen so zerrissenen Zeitabschnitten widmete er den einen diesem, den andern jenem Studium; so hatte er bestimmte für Ueberlegungen, für die Unterhaltung, für die Messe, für Locke, für den Rosenkranz, für Besuche, für die Musik, für die Malerei, und weder Vergnügungen noch Versuchungen, noch der Wunsch jemandem gefällig zu sein, hätten diese Ordnung umstoßen können; lediglich eine zu erfüllende Pflicht hätte ihn dazu gebracht. Als er mir die Liste seiner Zeiteinteilung aufzählte, damit ich mich danach richtete, fing ich zu weinen an und schloß unter Thränen der Bewunderung. Nie fiel er jemandem lästig, noch duldete er eine

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