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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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Belästigung; die Leute, die ihn aus Höflichkeit belästigen wollten, fuhr er grob an. Er war hitzig, ohne verdrießlich zu sein. Ich habe ihn oft in Zorn, aber nie mißmuthig und trotzig gesehen. Nichts war heiterer als seine Laune; er verstand Scherz und scherzte selbst gern, er glänzte sogar dabei, da er das Talent besaß, sich in Epigrammen auszudrücken. Wenn man ihn anregte, lärmte und polterte er, daß man seine Stimme schon von weitem hörte; aber während er schrie, sah man ihn lächeln, und mitten in seinen leidenschaftlichen Aufwallungen brachte er irgend ein witziges Wort hervor, das alle Welt in Lachen ausbrechen ließ. Eben so wenig wie das spanische Phlegma besaß er das Aeußere eines Spaniers. Er hatte weiße Haut, rothe Wangen, hellbraunes, ja fast blondes Haar. Er war groß und wohlgebaut. Sein Körper war gleichsam der Tempel seiner Seele.
    Dieser Weise, seinem Herzen wie seinem Geiste nach, hatte Menschenkenntnis und war mein Freund. Dies ist meine ganze Antwort für alle, die es nicht sind. Uns vereinigte ein so festes Freundschaftsband, daß wir den Plan faßten, unsere Tage zusammen zu verleben. In einigen Jahren sollte ich nach Ascoytia kommen, um bei ihm auf seinem Gute zu wohnen. Am Abende vor seiner Abreise wurden alle einzelnen Punkte dieses Vorhabens zwischen uns verabredet. Nur das fehlte, was auch in den bestberechneten Plänen nicht in der Menschen Hand liegt. Die späteren Ereignisse, meine Widerwärtigkeiten, seine Verheirathung, sein Tod haben uns für immer getrennt.
    Man sollte meinen, daß nur die finsteren Anschläge der Bösen gelängen; die unschuldigen Pläne der Guten gehen fast nie in Erfüllung.
    Nachdem ich die Unannehmlichkeit der Abhängigkeit erfahren hatte, nahm ich mir entschieden vor, mich ihr nicht wieder auszusetzen. Da ich die Pläne des Ehrgeizes, die ich bei sich darbietender Gelegenheit entworfen, schon gleich bei ihrem Entstehen scheitern gesehen, und deshalb den Muth verloren hatte, wieder in die Laufbahn einzutreten, die ich so glücklich begonnen und aus der ich nichtsdestoweniger herausgeschleudert war, kam ich zu dem Entschlusse, mich an niemanden mehr anzuschließen, sondern mir meine Unabhängigkeit zu bewahren und meine Talente selbst auszunutzen, deren Umfang ich endlich zu erkennen begann und von denen ich bisher eine allzu bescheidene Meinung gehabt hatte. Ich nahm wieder die Arbeit an meiner Oper auf, welche ich wegen meiner Reise nach Venedig hatte unterbrechen müssen, und um mich ihr nach Altunas Abreise desto ruhiger überlassen zu können, bezog ich wieder mein altes Hôtel Saint-Quentin, welches in einem abgelegenen Viertel und unweit des Luxembourg für mich zum ungestörten Arbeiten geeigneter war als die geräuschvolle Straße Saint-Honoré. Dort wartete meiner der einzige wirkliche Trost, welchen der Himmel mir in meinem Elende gespendet hat, und der allein es mir erträglich macht. Da die Bekanntschaft, in der ich ihn gefunden habe, nicht etwa eine blos flüchtige war, muß ich auf einige Einzelheiten über die Art ihrer Entstehung eingehen.
    Wir hatten eine neue Wirthin, die aus Orléans stammte. Zur Verwalterin des Leinenzeuges nahm sie eine junge Landsmännin von ungefähr zwei- bis dreiundzwanzig Jahren, die eben so wie die Wirthin mit uns speiste. Dieses Mädchen, welches Therese Le Vasseur hieß, war von guter Familie, der Vater war Beamter an der Münze zu Orléans, die Mutter hatte ein Kaufmannsgeschäft. Sie hatten viele Kinder. Da die Münze zu Orléans ihre Arbeit einstellte, fand sich der Vater plötzlich auf das Steinpflaster gesetzt; die Mutter, welche durch Bankerotte Einbuße erlitten hatte, machte schlechte Geschäfte, zog sich vom Handel zurück und übersiedelte nach Paris mit Mann und Tochter, welche die Eltern und sich durch ihre Arbeit ernährte.
    Als ich diese junge Dame zum ersten Male bei Tische erscheinen sah, fiel mir ihr sittsames Benehmen und noch mehr ihr lebhafter und sanfter Blick auf, wie ich nie einen ähnlichen gesehen habe. Außer Herrn von Bonnefond nahmen an der Mahlzeit einige irländische und gascogner Abbés und andere Leute ähnlichen Schlages Theil. Unsere Wirthin selbst hatte ein lustiges Leben geführt; ich war der Einzige, der anständig redete und sich eben so benahm. Man neckte die Kleine; ich übernahm ihre Verteidigung. Sofort fielen sie mit Witzeleien über mich her. Hätte ich auch nicht eine leicht zu erklärende Neigung für die arme Kleine gefühlt, so würden doch Mitleid und

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