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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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ich einmal, ich wüßte es nicht. Diese Antwort brachte sie auf den Gedanken, ich müßte verrückt sein. Sie fragten mich deshalb weitläuftiger aus, und dieses Examen schadete mir nicht. Ich hörte Frau Du Colombier einmal zu ihrer Freunden sagen: »Es fehlt ihm an Lebensart, aber er ist liebenswürdig.« Dieses Wort flößte mir Zuversicht ein und machte, daß ich es wirklich wurde.
    Als wir so vertrauter mit einander wurden, mußte jeder von sich reden, angeben, woher er käme und wer er wäre. Dies setzte mich in Verlegenheit, denn ich wußte recht gut, daß mich unter Edelleuten und anmuthigen Damen das Wort Convertit vernichten mußte. Ich weiß nicht, aus welcher wunderlichen Laune ich auf den Einfall gerieth, die Rolle eines Engländers zu spielen. Ich gab mich für einen Jakobiten aus und man erkannte mich als solchen an; ich nannte mich Dudding und man redete mich Master Dudding an. Ein verwünschter Marquis von Torignan, der sich auch in der Gesellschaft befand, krank wie ich, außerdem noch alt und übellaunig, setzte es sich in den Kopf, mit Master Dudding ein Gespräch anzuknüpfen. Er redete mit mir vom Könige Jakob, vom Prätendenten, vom alten Hofe von Saint-Germain. Ich saß wie auf Kohlen. Von dem allen wußte ich nur das Wenige, was ich im Grafen Hamilton und in den Zeitungen gelesen hatte; indessen machte ich von diesem Wenigen so guten Gebrauch, daß ich mich leidlich aus der Sache zog, glücklich darüber, daß niemand darauf verfallen war, mich über die englische Sprache zu fragen, von der ich nicht ein Sterbenswörtchen verstand.
    Die ganze Gesellschaft hatte Gefallen an einander und sah mit Bedauern dem Augenblick der Trennung entgegen. Wir machten Tagereisen, als wären wir Schnecken gewesen. An einem Sonntage befanden wir uns in Saint-Marcellin. Frau von Larnage wollte in die Messe gehen, und ich begleitete sie; das hätte beinahe alles wieder verdorben. Ich benahm mich wie immer. Nach meiner ehrbaren und andächtigen Haltung hielt sie mich für scheinheilig und faßte von mir die schlechteste Meinung von der Welt, wie sie mir zwei Tage später gestand. Ich mußte nachher viele Galanterien verschwenden, um diesen schlechten Eindruck wieder zu verwischen, oder Frau von Larnage wollte vielmehr als Frau von Erfahrung, die nicht leicht den Muth verlor, gern die Gefahr ihres Entgegenkommens laufen, um zu sehen, wie ich mich aus der Sache ziehen würde. Sie erwies mir so viele und so große Aufmerksamkeiten, daß ich, weit entfernt mir auf mein Aeußeres etwas einzubilden, mich dem Glauben hingab, sie wollte sich über mich lustig machen. Es gab keinerlei Dummheiten, die ich in diesem thörichten Gedanken nicht beging; ich war schlimmer als der Marquis Du Legs. Frau von Larnage hielt Stand, schäkerte unaufhörlich mit mir und sagte mir so zärtliche Dinge, daß auch ein weniger dummer Mann Mühe gehabt hätte, dies alles für Ernst zu halten. Je mehr sie sich um mich bemühte, desto mehr bestärkte sie mich in meinem Gedanken, und was mich noch mehr quälte, war, daß ich offen gesagt mich ernstlich in sie verliebte. Ich sagte zu mir selbst und sagte seufzend zu ihr: »Ach, weshalb ist dies alles nicht wahr! Ich würde der Glücklichste der Menschen sein!« Ich glaube, daß meine Novizeneinfalt ihre Verliebtheit erst recht anstachelte; sie wollte ihre Absicht entschieden durchsetzen.
    Wir hatten Frau Du Colombier und ihr Gefolge in Romans verlassen. Auf die langsamste und angenehmste Art von der Welt setzten wir, Frau von Larnage, der Marquis von Torignan und ich, unsere Reise fort. Obgleich krank und mürrisch, war der Marquis doch ein ziemlich gutmüthiger Mann, der aber bei Bratenduft sein Brot nicht gern trocken aß. Frau von Larnage verhehlte ihre Liebe zu mir so wenig, daß er sie früher entdeckte als ich. Schon seine boshaften Spöttereien allein hätten mir die Zuversicht einflößen müssen, die ich auf die Gewogenheit der Dame nicht zu gründen wagte, wenn ich mir nicht in einer nur mir eigenen Verschrobenheit eingebildet hätte, daß sie im gegenseitigen Einverständnisse darauf ausgingen, mich zu foppen. Diese dumme Vorstellung verrückte mir vollends den Kopf und ließ mich die albernste Rolle spielen und noch dazu in einer Lage, in der mich mein verliebtes Herz zu einer glänzenderen hätte begeistern müssen. Ich begreife nicht, wie sich Frau von Larnage nicht durch mein widerwärtiges Wesen zurückschrecken ließ und mich nicht mit der äußersten Verachtung verabschiedete.

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