Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
Vom Netzwerk:
hinreichte, ohne daß ich noch zu schreiben brauchte. Ich arbeitete noch an zwei Werken. Das erste führte den Titel »Politische Einrichtungen«. Ich prüfte den Fortschritt dieses Buches und erkannte, daß es noch mehrjährige Arbeit verlangte. Ich hatte nicht den Muth, es fortzusetzen und bis zu seiner Vollendung mit der Ausführung meines Entschlusses zu warten. So entschloß ich mich denn, indem ich auf dieses Werk verzichtete, alles, was sich von ihm trennen ließe, herauszuziehen und das Uebrige dann zu verbrennen, und da ich diese Arbeit, ohne die am »Emil« zu unterbrechen, mit Eifer betrieb, legte ich in weniger als zwei Jahren die letzte Hand an den » Contrat social «.
    Uebrig blieb mir noch das »Wörterbuch der Musik«. Dies war eine handwerksmäßige Arbeit, die zu jeder Zeit ausgeführt werden konnte und für mich nur ein pecuniäres Interesse hatte. Ich behielt mir vor, sie nach meinem Gefallen aufzugeben oder zu vollenden, je nachdem meine übrigen vereinten Hilfsquellen sie mir nothwendig oder überflüssig machen würden. Was die »Sensitive Moral« anging, von der ich erst einen flüchtigen Entwurf niedergeschrieben hatte, so gab ich sie ganz auf.
    Da meine letzte Absicht war, wenn ich das Abschreiben völlig entbehren konnte, Paris, wo mir das Zuströmen von Besuchern den Unterhalt kostspielig machte und mir die Zeit für ihn zu sorgen raubte, zu verlassen, so behielt ich mir, um der Langeweile in meiner Zurückgezogenheit vorzubeugen, in die ein Schriftsteller, sobald er die Feder bei Seite gelegt hat, versinken soll, eine Beschäftigung vor, welche die Leere meiner Einsamkeit ausfüllen konnte, ohne mich ferner der Versuchung auszusetzen, noch bei Lebzeiten etwas drucken zu lassen. Ich weiß nicht, weshalb mich Rey schon seit langer Zeit drängte, die Denkwürdigkeiten meines Lebens zu schreiben. Obgleich es bisher durch das Thatsächliche nicht sehr interessant war, so fühlte ich, daß es das durch die Offenheit, mit der ich dabei vorzugehen fähig war, werden konnte, und ich beschloß daraus ein durch eine beispiellose Wahrhaftigkeit einziges Werk zu machen, damit man wenigstens einmal einen Menschen so sehen könnte, wie er in seinem Innern war. Ich habe stets über Montaigus falsche Naivetät gelacht, der, während er sich den Anschein giebt, seine Fehler einzugestehen, doch große Sorge aufwendet, sich nur liebenswürdige beizulegen; während ich, der ich mich in allem genommen stets für den besten der Menschen gehalten habe und noch immer dafür halte, erkannte, daß es kein menschliches Innere giebt, welches nicht, so rein es auch sein möge, irgend ein widriges Laster in sich schließe. Ich wußte, daß man mich der Welt unter der Beilegung von Zügen schilderte, die den meinigen so wenig glichen und mitunter so häßlich waren, daß ich trotz des Schlechten, das ich nicht verschweigen wollte, nur dabei gewinnen konnte, mich so zu zeigen, wie ich war. Da sich dies übrigens nicht thun ließ, ohne auch andere Leute so zu zeigen, wie sie wirklich waren, und dieses Werk folglich erst nach meinem und vieler anderer Tode erscheinen konnte, so ermuthigte mich dies noch mehr, meine Bekenntnisse abzulegen, über die ich vor niemandem je würde zu erröthen brauchen. Ich beschloß demnach, meine Muße dazu anzuwenden, dieses Unternehmen gut auszuführen, und machte mich darüber her, die Briefe und Papiere zu sammeln, welche meine Erinnerung dabei leiten oder wach rufen konnten, wobei ich alles, was ich bis dahin zerrissen, verbrannt und verloren hatte, sehr vermißte.
    Dieser Plan einer unbedingten Zurückgezogenheit, einer der verständigsten, den ich je gefaßt hatte, füllte meine ganze Seele, und schon arbeitete ich an seiner Ausführung, als der Himmel, der mir ein anderes Schicksal vorbereitete, mich in einen neuen Strudel stürzte.
    Montmorency, dieses alte und schöne Erbgut des erlauchten Hauses gleichen Namens, gehört ihm seit der Confiscation nicht mehr. Es ist durch die Schwester des Herzogs Heinrich auf das Haus Condé übergegangen, das den Namen Montmorency in Enghien verwandelt hat; und dieses Herzogthum besitzt kein anderes Schloß mehr als einen alten Thurm, der die Archive enthält und in dem man die Huldigung der Vasallen empfängt. Dagegen sieht man in Montmorency oder Enghien ein von Croisat, mit dem Beinamen »der Arme« gebautes Privathaus, welches, da es sich an Pracht mit den stolzesten Schlössern messen kann, diesen Namen verdient und führt. Der Bewunderung

Weitere Kostenlose Bücher