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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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durch Kunst und Genie gleichsam zu vervielfältigen. Auf der Höhe wird dieser Park von der Terrasse und dem Schlosse gekrönt; in der Tiefe bildet er eine Schlucht, die sich nach dem Thale zu öffnet und erweitert und deren tiefster Theil von einer großen Wasserfläche ausgefüllt wird. Zwischen der Orangerie, welche diese Erweiterung einnimmt, und dieser Wasserfläche, die mit Gebüschen und Bäumen anmuthig bedeckte Hügel einrahmen, liegt das erwähnte kleine Schloß. Dieses Gebäude und das es umgebende Land gehörten einst dem berühmten Le Brun, der seine Freude daran hatte, es mit diesem für Verzierung und Bauart reizenden Geschmacke, welcher diesen großen Maler zu einem Gegenstande der Bewunderung machte, aufzuführen und auszuschmücken. Seitdem ist dieses Schloß neu erbaut, aber immer nach der Zeichnung des ersten Meisters. Es ist klein, einfach, aber geschmackvoll. Da es zwischen dem Bassin der Orangerie und dem großen See in der Tiefe liegt und folglich der Feuchtigkeit ausgesetzt ist, hat man es in der Mitte mit einer offenen Halle zwischen zwei Säulenstockwerken unterbrochen, welche der Luft den Zutritt zu dem ganzen Gebäude gewährt und es dadurch trotz seiner Lage trocken erhält. Wenn man dieses Gebäude von der gegenüberliegenden Anhöhe, die den Hintergrund der Fernsicht von ihm aus bildet, betrachtet, so scheint es überall von Wasser umgeben, und man glaubt eine Zauberinsel oder die reizendste der drei Borromäischen Inseln, die Isola Bella im Lago Maggiore, zu sehen.
    In diesem einsam gelegenen Gebäude sollte ich mir eine der vier vollständigen Wohnungen erwählen, welche es außer dem Erdgeschoß enthält, das aus einem Ballsaal, einem Billardsaal und einer Küche besteht. Ich nahm die kleinste und einfachste oberhalb der Küche, die ich gleichfalls bekam. Sie war äußerst elegant; die Möbel waren weiß und blau. In dieser tiefen und köstlichen Einsamkeit, inmitten von Hainen und Springbrunnen unter dem Gesange von Vögeln jeglicher Art, bei dem Dufte von Orangeblüten schrieb ich in einer fortwährenden Begeisterung das fünfte Buch des »Emil«, dessen ziemlich frisches Colorit ich großenteils dem lebendigen Eindruck der Oertlichkeit, in der ich es schrieb, verdankte.
    Wie eifrig lief ich jeden Morgen bei Sonnenaufgang in die Säulenhalle, um dort die balsamische Luft einzuathmen! Welch guten Milchkaffee trank ich da im trauten Beisammensein mit meiner Therese! Meine Katze und mein Hund leisteten uns Gesellschaft. Dieses Gefolge allein hätte mir für mein ganzes Leben genügt, ohne daß ich je einen Augenblick Langeweile empfunden hätte. Ich befand mich dort in einem irdischen Paradiese; ich lebte darin in gleicher Unschuld und genoß darin das gleiche Glück.
    Als Herr und Frau von Luxembourg im Juli auf dem Lande wohnten, bewiesen sie mir so viele Aufmerksamkeiten und Freundlichkeiten, daß ich, der ich bei ihnen wohnte und von ihrer Güte überhäuft wurde, nicht weniger thun konnte, als es durch fleißige Besuche zu vergelten. Ich verließ sie fast nicht: des Morgens machte ich der Frau Marschall meine Aufwartung, des Mittags speiste ich bei ihr; des Nachmittags ging ich mit dem Herrn Marschall spazieren, aber zu Abend speiste ich nicht bei ihm, einmal wegen der großen Gesellschaft und sodann weil die Stunde des Abendessens für mich zu spät war. So weit war alles noch geziemend und unverfänglich, wenn ich es nur dabei hätte bewenden lassen. Aber ich habe nie verstanden, bei meinen Freundschaften die rechte Mitte inne zu halten und einfach die gesellschaftlichen Pflichten zu erfüllen. Ich bin stets alles oder nichts gewesen; binnen kurzem war ich alles, und wenn ich mich von Personen dieses Ranges gefeiert und verwöhnt sah, überschritt ich die Grenzen und war ihnen mit einer Freundschaft ergeben, die man nur für Personen von gleichem Stande haben darf. Ich zeigte in meinem Betragen alle Vertraulichkeit der Freundschaft, während sie bei dem ihrigen nie die Höflichkeit, an die sie mich gewöhnt hatten, aus den Augen setzten. Trotzdem bin ich im Verkehre mit der Frau Marschall nie ganz unbefangen gewesen. Obgleich ich hinsichtlich ihres Charakters nicht ganz ohne Befürchtungen war, so fürchtete ich ihn doch weniger als ihren Geist. Gerade er war es vor allen Dingen, der mir bei ihr Bewunderung einflößte. Ich wußte, daß sie bei der Unterhaltung schwer zu erfüllende Anforderungen stellte und ein Recht darauf hatte, sie zu stellen. Ich wußte, daß die Frauen

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