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Rousseau's Bekenntnisse

Rousseau's Bekenntnisse

Titel: Rousseau's Bekenntnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Jacques Rousseau
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holen. Da er mit den Leuten des Hauswesens nicht unmittelbar verkehrt, ja sie nicht einmal sieht, giebt er ihnen nur Trinkgelder, wann und wie es ihm gefällt. Ich dagegen, allein, ohne Diener, war von der Gnade der Leute des Hauses abhängig, deren Geneigtheit ich mir notwendigerweise erwerben mußte, wenn ich nicht viel dulden wollte, und wurde ich von ihnen wie ihr Herr behandelt, so mußte auch ich die Leute wie er behandeln, und für sie sogar mehr als ein anderer thun, weil ich sie wirklich weit mehr nöthig hatte. Giebt es wenig Dienstleute, läßt man sich das noch gefallen, aber in den Häusern, die ich besuchte, gab es ihrer viele, alle sehr aufgeblasen, sehr listig und, wo es ihr Vortheil verlangte, sehr flink, und die Schufte verstanden es so einzurichten, daß ich nach und nach aller bedurfte. Die Pariser Frauen, die so viel Geist besitzen, haben über diesen Punkt keine richtige Vorstellung, und trotz ihres Wunsches, meine Börse zu schonen, richteten sie mich zu Grunde. Wenn ich in Paris etwas entfernt von meiner Wohnung zu Abend aß, gestattete die Frau des Hauses nicht, daß ich mir einen Fiaker holen ließ, sondern ließ anspannen, um mich zurückzufahren. Sie fühlte sich höchst glücklich, mir vierundzwanzig Sous für den Fiaker zu ersparen; an den Thaler, den ich dem Lakaien und dem Kutscher gab, dachte sie gar nicht. Eine Frau schrieb an mich nach der Eremitage oder nach Montmorency; aus Bedauern über die vier Sous Porto, die mir ihr Brief gekostet hätte, sandte sie ihn mir durch einen ihrer Leute, der in Schweiß gebadet zu Fuß anlangte, und dem ich zu essen und einen Thaler gab, den er wahrlich wohl verdient hatte. Schlug sie mir vor, acht oder vierzehn Tage auf ihrem Landgute bei ihr zuzubringen, so sagte sie sich: »Es wird für diesen armen Burschen immer eine Ersparnis sein; während dieser Zeit wird ihm sein Unterhalt nichts kosten.« Sie dachte nicht daran, daß ich während dieser Zeit auch nicht arbeitete, daß mein Haushalt und die Ausgaben für Miethe, Wäsche und Kleidung trotzdem fortgingen, daß ich meinen Barbier doppelt bezahlte und bei ihr mehr Kosten hatte, als bei mir. Obgleich ich meine kleinen Spenden auf die Häuser beschränkte, in denen ich am meisten zu verkehren Pflegte, so waren sie mir dennoch verderblich. Ich kann versichern, daß ich bei Frau von Houdetot in Eaubonne, wo ich nur vier- oder fünfmal übernachtete, bestimmt fünfundzwanzig Thaler und in Epinay wie auf der Chevrette während der fünf oder sechs Jahre, in denen ich mich dort am meisten aufhielt, mehr als hundert Pistolen ausgegeben habe. Für einen Mann meines Charakters, der sich mit nichts zu versehen, auf keine Mittel zu sinnen und den Anblick keines mürrischen Dieners, welcher beim Aufwarten ein verdrießliches Gesicht macht, zu ertragen weiß, sind diese Ausgaben unvermeidlich. Sogar bei Frau Dupin, wo ich zum Hause gehörte und den Dienstleuten tausenderlei Gefälligkeiten erwies, habe ich ihre Dienste nur gegen eine Geldentschädigung angenommen. Später habe ich diese kleinen Freigebigkeiten, die mir meine Lage nicht mehr gestattete, endlich ganz aufgeben müssen, und nun hat man mich noch härter den Uebelstand empfinden lassen, mit Leuten eines andern Standes zu verkehren.
    Hätte mir dieses Leben noch behagt, so würde ich mich über eine zwar drückende, aber doch zu meinem Vergnügen dienende Ausgabe getröstet haben; aber sich zu ruiniren, um sich zu langweilen, war doch zu unerträglich, und ich hatte die Last dieser Lebensweise so sehr empfunden, daß ich die augenblickliche Freiheit, in der ich mich befand, benutzte und entschlossen war, sie mir auch fernerhin zu bewahren, dem Leben in der großen Welt, der Schriftstellern und jedem literarischen Verkehre völlig zu entsagen und mich für den Rest meiner Tage auf den engen und friedlichen Kreis zu beschränken, für den ich mich geboren fühlte.
    Der Ertrag des »Briefes an d'Alembert« und der »Neuen Heloise« hatte meine Finanzen, die auf der Eremitage sehr abgenommen hatten, ein wenig gebessert. Ich sah mich im Besitze von ungefähr tausend Thalern. Der »Emil«, an dessen Ausarbeitung ich mich nach Vollendung der »Heloise« ernstlich gemacht hatte, war sehr vorgeschritten und sein Ertrag mußte diese Summe wenigstens verdoppeln. Ich beabsichtigte, diese Gelder so anzulegen, daß ich mir daraus auf Lebenszeit eine kleine Rente verschaffte, die im Verein mit meinen Einnahmen aus dem Notenabschreiben für meinen Unterhalt

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