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Rubinrot

Rubinrot

Titel: Rubinrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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überzeugen, trotz Parole und Siegelring und so weiter. Es ist immer schwierig, die Reaktionen der Wächter der Vergangenheit einzuschätzen. Im Zweifel würden sie wohl eher dazu tendieren, dem ihnen bekannten und von ihnen zu beschützenden Zeitreisenden beizustehen als dem Besucher aus der Zukunft, den sie kaum oder gar nicht kennen. So wie sie es heute Nacht und heute Morgen auch getan haben. Mit einem Besuch bei ihr zu Hause sind wir vielleicht erfolgreicher. Und auf jeden Fall überraschender.«
    »Aber könnte sie nicht Tag und Nacht von jemandem bewacht werden, der nur darauf wartet, dass wir auftauchen? Sie rechnet ja eigentlich damit. Schon seit vielen Jahren, oder nicht?«
    »In den Annalen der Wächter ist nichts von einem zusätzlichen Personenschutz verzeichnet. Nur der obligatorische Novize, der das Haus jedes Zeitreisenden im Auge behält.«
    »Der schwarze Mann«, rief ich aus. »Bei uns steht auch so einer.«
    »Nicht besonders unauffällig offensichtlich.« Gideon grinste.
    »Nein, kein bisschen. Meine kleine Schwester hält ihn für einen Zauberer.« Dabei fiel mir etwas ein. »Hast du auch Geschwister?«
    »Einen kleinen Bruder«, sagte Gideon. »Na ja, so klein ist er nicht mehr. Er ist siebzehn.«
    »Und du?«
    »Neunzehn«, sagte Gideon. »Jedenfalls so gut wie.«
    »Wenn du nicht mehr zur Schule gehst - was machst du dann? Außer in der Vergangenheit herumreisen natürlich.« Und Violine spielen. Und was er sonst noch so tat.
    »Offiziell bin ich an der University of London eingeschrieben«, sagte er. »Aber ich glaube, dieses Semester kann ich abhaken.«
    »Welches Fach?«
    »Du bist ganz schön neugierig, kann das sein?«
    »Ich betreibe nur Konversation«, sagte ich. Den Satz hatte ich von James. »Also, was studierst du?«
    »Medizin.« Es klang ein bisschen verlegen.
    Ich verkniff mir ein erstauntes »Oh!« und sah wieder aus dem Fenster. Medizin. Interessant. Interessant. Interessant.
    »War das heute in der Schule dein Freund?«
    »Was? Wer?« Ich schaute ihn verblüfft an.
    »Der Typ hinter dir, der die Hand auf deiner Schulter hatte.« Es klang ganz beiläufig, fast desinteressiert.
    »Du meinst Gordon Gelderman? Ach du liebe Güte.«
    »Wenn er nicht dein Freund ist, wieso darf er dich dann berühren?«
    »Darf er ja nicht. Ich hab gar nicht gemerkt, dass er es getan hat, um ehrlich zu sein.« Und zwar deshalb nicht, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, Gideon dabei zuzusehen, wie er mit Charlotte Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte. Bei der Erinnerung daran schoss mir das Blut ins Gesicht. Er hatte sie geküsst. Jedenfalls beinahe.
    »Wieso wirst du rot? Wegen Gordon Gallahan?«
    »Gelderman«, verbesserte ich.
    »Wie auch immer. Er sah wie ein Idiot aus.«
    Ich musste lachen. »Er hört sich auch wie einer an«, sagte ich. »Und er küsst ganz furchtbar.«
    »So genau wollte ich das gar nicht wissen.« Gideon beugte sich hinunter zu seinen Schuhen und knotete die Schnürsenkel neu. Als er wieder hochkam, verschränkte er die Arme vor der Brust und schaute aus dem Fenster. »Das ist schon Beigrave Road, sieh mal! Bist du gespannt auf deine Ururgroßmutter?«
    »Ja, sehr sogar.« Ich vergaß sofort, worüber wir gesprochen hatten. Wie seltsam das doch alles war. Meine Ururgroßmutter, die ich im Begriff war zu besuchen, war um einiges jünger als meine Mum.
    Sie hatte offenbar vorteilhaft geheiratet, denn das Haus am Eaton Place, vor dem die Droschke hielt, war hochherrschaftlieh. Und der Butler, der uns die Tür öffnete, war das auch. Er war noch hochherrschaftlicher als Mr Bernhard. Er trug sogar weiße Handschuhe!
    Er musterte uns recht misstrauisch, als Gideon ihm eine Karte reichte und meinte, wir seien Überraschungsbesuch zum Tee. Gewiss würde seine liebe alte Freundin, Lady Tilney, sich sehr freuen, wenn sie hören würde, dass Gwendolyn Shepherd zu Besuch gekommen sei.
    »Ich glaube, er hält dich nicht für fein genug«, sagte ich, als der Butler mit der Karte davongegangen war. »So ohne Hut und Koteletten.«
    »Und ohne Schnurrbart«, sagte Gideon. »Lord Tilney hat einen, der von Ohr zu Ohr reicht. Siehst du? Da vorne hängt ein Porträt von ihm.«
    »Ach du liebe Güte«, sagte ich. Meine Ururgroßmutter hatte einen reichlich bizarren Männergeschmack. Das war die Sorte Schnurrbart, die man des Nachts auf Lockenwickler drehen musste.
    »Und wenn sie sich jetzt einfach verleugnen lässt?«, fragte ich. »Vielleicht hat sie keine Lust, dich schon wieder zu

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