Rubinrot
treffen.«
»Schon wieder ist gut. Für sie ist das letzte Mal achtzehn Jahre her.«
»Doch schon so lange?« Auf der Treppe stand eine Frau, schlank und hochgewachsen, die roten Haare zu einer Frisur aufgesteckt, die meiner nicht unähnlich war. Sie sah aus wie Lady Arista, nur dreißig Jahre jünger. Ich sah staunend, dass auch ihr steifer Gang dem von Lady Arista bis aufs i-Tüpfelchen glich.
Als sie vor mir stehen blieb, schwiegen wir alle beide, so sehr waren wir in die gegenseitige Betrachtung versunken. Ein bisschen erkannte ich auch von meiner Mum in meiner Ururgroßmutter. Ich weiß nicht, was oder wen Lady Tilney in mir sah, aber sie nickte und lächelte, als ob mein Anblick sie befriedigen würde.
Gideon wartete eine Weile, dann sagte er: »Lady Tilney, ich habe immer noch das gleiche Anliegen wie vor achtzehn Jahren. Wir benötigen etwas von Ihrem Blut.«
»Und ich sage immer noch dasselbe wie vor achtzehn Jahren. Du bekommst mein Blut nicht.« Sie drehte sich zu ihm um. »Aber ich kann euch Tee anbieten. Obwohl es noch ein bisschen früh dafür ist. Bei einem Tässchen Tee lässt es sich doch besser plaudern.«
»Dann sollten wir auf jeden Fall ein Tässchen trinken«, sagte Gideon charmant.
Wir folgten meiner Ururgroßmutter die Treppe hinauf in ein straßenseitig gelegenes Zimmer. Ein kleiner runder Tisch am Fenster war für drei Personen gedeckt, Teller, Tassen, Besteck, Brot, Butter, Marmelade und in der Mitte eine Platte mit hauchfeinen Gurkensandwichs und Scones.
»Es sieht ja fast so als, als hätten Sie uns bereits erwartet«, sagte ich, während Gideon sich gründlich im Zimmer umsah.
Wieder lächelte sie. »Ja, nicht wahr? Das könnte man wirklich denken. Aber in Wahrheit erwarte ich andere Gäste. Nehmt doch Platz.«
»Nein danke, unter diesen Umständen stehen wir doch lieber«, sagte Gideon, plötzlich sehr angespannt. »Wir wollen auch gar nicht lange stören. Wir hätten nur gern ein paar Antworten.«
»Und wie lauten die Fragen?«
»Woher kennen Sie meinen Namen?«, fragte ich. »Wer hat Ihnen von mir erzählt?«
»Ich hatte Besuch aus der Zukunft.« Ihr Lächeln vertiefte sich. »Passiert mir öfter.«
»Lady Tilney, ich habe Ihnen schon beim letzten Mal versucht zu erklären, dass Ihr Besuch Sie mit vollkommen falschen Fakten gefüttert hat«, sagte Gideon. »Sie machen einen großen Fehler, wenn Sie den falschen Menschen vertrauen.«
»Das sage ich ihr auch immer«, sagte eine Männerstimme. In der Tür war ein junger Mann erschienen, der lässig näher schlenderte. »Margret, sage ich immer, du machst einen großen Fehler, wenn du den falschen Menschen traust. Oh, das sieht ja köstlich aus. Sind die für uns?«
Gideon hatte scharf die Luft eingesogen, jetzt griff er nach mir und umfasste mein Handgelenk.
»Keinen Schritt näher!«, fauchte er.
Der andere Mann zog eine Augenbraue hoch. »Ich nehme mir nur ein Sandwich, wenn du nichts dagegen hast.«
»Bedien dich ruhig.« Während meine Ururgroßmutter den Raum verließ, baute sich der Butler auf der Schwelle auf. Trotz der weißen Handschuhe sah er jetzt wie der Türsteher eines wirklich angesagten Clubs aus.
Gideon fluchte leise.
»Keine Angst vor Millhouse«, sagte der junge Mann. »Obwohl er angeblich schon mal einem Mann das Genick gebrochen hat. Aus Versehen, nicht wahr, Millhouse?«
Ich starrte ihn an, ich konnte nicht anders. Er hatte die gleichen Augen wie Falk de Villiers, gelb wie Bernstein. Wie ein Wolf.
»Gwendolyn Shepherd!« Als er mich anlächelte, sah er Falk de Villiers noch ähnlicher. Er war nur mindestens zwanzig Jahre jünger und seine kurz geschnittenen Haare waren pechschwarz.
Sein Blick machte mir Angst, er war freundlich, doch da lag noch etwas darin, das ich nicht näher bestimmen konnte. Vielleicht Wut? Oder Schmerz?
»Es ist mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen.« Seine Stimme war für einen kurzen Moment heiser geworden. Er streckte mir seine Hand entgegen, aber Gideon packte mich mit beiden Armen und zog mich an sich.
»Du rührst sie nicht an!«
Wieder die hochgezogene Augenbraue. »Wovor hast du Angst, Kleiner?«
»Ich weiß genau, was du von ihr willst!«
Ich spürte Gideons Herz an meinem Rücken klopfen.
»Blut?« Der Mann nahm sich eins der winzigen, hauchdünnen Sandwichs und warf es sich in den Mund. Dann hielt er uns beide Handflächen entgegen und sagte: »Keine Spritze, kein Skalpell, siehst du? Und jetzt lass das Mädchen los. Du zerquetschst sie ja.« Wieder
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