Rubinrotes Herz, eisblaue See
Tuckern. Diesmal hielt es vor meiner Tür, und Bud kam herein und brachte mir die Lebensmittel. Nachdem er sie weggeräumt hatte, setzten wir uns auf die Veranda, schauten hinaus aufs Meer und redeten.
Eines Tages sprach er darüber, warum er kein Hummerfischer werden wollte. »Die Arbeit ist zu hart. Jesses, hast du dir unsere Alten mal genauer angesehen? Nein, ich werde Automechaniker.«
»Und was sagt Susan dazu?«, fragte ich.
»Sie hat damit kein Problem.«
Wir beobachteten zwei Möwen, die sich von den Luftströmungen über dem Wasser tragen ließen. Erst stieg die eine auf, dann die andere, immer im Wechsel.
»Warum magst du Susan eigentlich?«, fragte ich.
Er runzelte die Stirn. »Was meinst du damit? Warum sollte ich sie nicht mögen?«
Vorsichtig ruderte ich ein Stück zurück. »Sie ist hübsch, sie ist nett und witzig. Ich frage mich einfach nur, was Leute dazu bringt, sich zu mögen.«
»Keine Ahnung. Manchmal denkst du echt komische Sachen.«
Ich lachte. »Ich bin verrückt, das weißt du doch.«
Die Möwen segelten jetzt nebeneinander, getragen vom Wind. Ich dachte, wie schön es wäre, wenn wir das auch könnten.
Dann sagte Bud: »Ich weiß nicht, wie sie gerade auf mich gekommen ist. Sie hätte jeden haben können. Aber sie wollte mich. Sie gibt mir das Gefühl, klüger zu sein, als ich bin. Sie gibt mir den Glauben daran, dass ich es zu etwas bringen kann. Sie glaubt, dass ich etwas Besonderes bin.«
Eine der beiden Möwen stieg ein Stück höher auf, wendete und glitt am Hafen vorbei hinunter zur Bucht. Die andere schwebte noch einen Moment auf ihrer Strömung, dann flog sie in eine andere Richtung davon.
»Ich weiß, dass du etwas Besonderes bist«, sagte ich leise. »Ich glaube es nicht nur.«
Lächelnd stand Bud auf. »Du bist meine älteste Freundin«, sagte er. »Wir kennen uns schon sehr lange. Natürlich denkst du so über mich. Ich tue das umgekehrt auch.« Er klopfte mir auf die Schulter und ging.
Am Wochenende bastelte er bei sich in der Einfahrt an seinem Fairlane herum. Ich liebte es, in der Küche zu sitzen, aus dem Fenster zu sehen und seinen schmalen Hintern zu betrachten, wenn er sich über den Motor beugte. Ich beobachtete ihn so lange, wie er da draußen war. Ich konnte mir keine schönere Beschäftigung vorstellen.
Susan hatte sich zwei Wochen lang nicht blicken lassen. Bud sagte, sie müsse viel für ihre Abschlussprüfungen lernen. »Vermisst du sie?«, fragte ich ihn und hoffte, er würde »Nein« sagen und über mich herfallen.
»Ich würd sie gern öfter sehen. Aber sie muss tun, was zu tun ist.« Er klang stolz, als er das sagte. Sie würde in Farmington aufs College gehen, genau wie Dottie, die es tatsächlich geschafft hatte, zweifellos aufgrund von Madelines Entschlossenheit. Dottie hatte mir schon von der Bowlingbahn dort erzählt.
Glen hatte sich wirklich dazu entschlossen, nach Vietnam zu gehen. Die Vorstellung machte mich traurig, aber der Entschluss stand wie immer unverrückbar in seine Stirn gemeißelt. Ich hoffte, er würde sich aus dem größten Ärger heraushalten, um irgendwann zu Evie Butts zurückzukehren. Evie war zwar erst vierzehn, aber schon eine richtige Schönheit, und Glen war verrückt nach ihr.
»Madeline flippt total aus«, sagte Dottie. »Glen hat ihr geschworen, dass er Evie nicht anrührt, bis sie erwachsen ist. Er meint, bis er zurückkommt, hat sie das richtige Alter für ihn.«
»Meinst du, er wartet so lange?«, fragte ich.
»Wenn er seine Eier behalten will, dann ja. Ach du Scheiße! Er könnte mein Schwager werden.«
»Du hast doch immer gesagt, er und Bud wären wie Brüder für uns.«
»Hab ich das gesagt? Nutze jede Gelegenheit, deine Klappe zu halten - das sollte mein Motto werden.«
Angesichts all dieser Planungen fing ich ebenfalls an, ein paar Pläne zu schmieden. Ich nahm mir vor, Petunia aus dem Schuppen zu holen und Autofahren zu lernen. Vielleicht würde Bud es mir beibringen. Dann könnte ich nach Long Reach fahren und mir dort einen Job suchen. Damit hatte ich drei Ziele. Erstens: Autofahren lernen. Zweitens: einen Job finden. Drittens: Bud heiraten.
Der Unfall und die lange Zeit, in der ich im Bett liegen musste und nicht viel anderes tun konnte als nachdenken, hatten mich verändert. Mittlerweile fand ich, dass Stella recht gehabt hatte mit ihrer Bemerkung, dass man sich nehmen musste, was man vom Leben wollte. Eine gewisse Entschlossenheit hatte sich in mir eingenistet und vieles klarer gemacht.
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