Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rubinrotes Herz, eisblaue See

Rubinrotes Herz, eisblaue See

Titel: Rubinrotes Herz, eisblaue See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morgan Callahan Rogers
Vom Netzwerk:
gebaut«, bevor sie auflegte.
    Als Daddy nach Hause kam, war der Tisch gedeckt, und es duftete nach Essen. Carlie rückte ihren Stuhl näher zu ihm, und er sah sie immer wieder an, als versuche er zu verstehen, wer sie mit dieser neuen Frisur war. Nach einer Weile merkte ich, dass ich genauso gut hätte unsichtbar sein können. Carlie strich unterm Tisch immer wieder über Daddys Bein, und seine Augen fingen an zu leuchten. Als Carlie meinte, ich solle zu Ray gehen, um etwas zum Nachtisch zu holen, und ich könne mir ruhig Zeit lassen, fragte ich nicht lange, sondern machte mich auf den Weg.
    Außer Stella Drowns war niemand im Laden. Ich steuerte auf die Cremehörnchen zu, legte zwei davon auf den Tresen und gab Stella einen Dollar.
    »Wirst du immer noch für das Feuer bestraft?«, fragte sie.
    »Ich hab’s nicht gelegt.«
    »Das war nicht meine Frage.« Sie lächelte und schob die Narbe auf ihrer Wange ein paar Zentimeter höher. »Hast du deine Lektion gelernt?«
    »Kann ich meine Cremehörnchen haben?«, fragte ich.
    »Erst, wenn du mir antwortest«, entgegnete sie.
    »Gib mir mein Geld zurück.«
    Sie klatschte mir den Dollar in die Hand.
    »Du bist eine Hexe«, sagte ich und lief aus dem Laden. Stinkwütend stapfte ich zurück nach Hause. Als ich die Tür öffnete, hörte ich, dass eine Elvis-Platte lief, und überrascht sah ich, wie Daddy Carlie im Arm hielt und sich mit ihr in einem unbeholfenen, langsamen Tanz durch die Küche drehte. Ihre kleinen Füße standen auf seinen großen, und seine Hände umfassten beinahe ihre schmale Taille. Als sie mich erblickten, sagte ich: »Ich übernachte bei Grand. Ich brauche meinen Schlafanzug.« Ich wollte an ihnen vorbeigehen, aber sie traten einen Schritt auseinander und hielten die Arme wie eine Brücke, unter der ich hindurchgehen musste, und als ich genau zwischen ihnen war, senkten sie die Arme und hielten mich fest, sodass ich an der einen Seite Carlies Kichern im Ohr hatte und an der anderen Daddys leises, dunkles Lachen. »Lasst mich los«, protestierte ich. Als sie mich gehen ließen, schnappte ich mir meinen Schlafanzug und lief aus dem Haus.
    Grand gab mir ein großes Stück von ihrem Schokoladenkuchen, und wir sahen eine Weile fern, dann gingen wir nach oben, um uns schlafen zu legen. Ich kuschelte mich in Daddys altes Bett. Kurz bevor ich einschlief, hörte ich Stellas zischende Stimme: »Hast du deine Lektion gelernt?«

5
     
    Madeline, Dotties Mutter, war Künstlerin. Sie verkaufte Aquarelle in einer kleinen Galerie an der Route 100. Ich liebte es, ihr beim Malen zuzusehen, und an einem Mittwochnachmittag in der zweiten Augustwoche saßen Dottie und ich bei ihr auf dem Rasen, während sie malte. Sie sah hinaus aufs Meer, dann auf ihr Bild, dann wieder aufs Meer, trug ein paar Striche Farbe auf und blickte wieder hinaus. Ich hätte ihr stundenlang zuschauen können.
    Am Montagmorgen waren die blonde Carlie und die rothaarige Patty Richtung Norden zu ihrer alljährlichen Fahrt nach Crow’s Nest Harbor aufgebrochen. Am Donnerstag würden sie zurückkommen. Carlie hatte ein paar Sommersachen in ihren Koffer gepackt und einige Mahlzeiten für Daddy und mich vorgekocht, und dann waren die beiden losgefahren. Vorher hatte Carlie Daddy noch dazu gebracht, mit Bert zu reden, damit Dottie und ich uns wieder sehen durften. Wir hatten die Erlaubnis bekommen, Übernachtungen allerdings ausgenommen, und wir mussten uns stündlich bei Grand oder Madeline melden oder in Sichtweite bleiben. Die Jungs waren nach wie vor verboten.
    Dottie zupfte einen Grashalm aus, legte ihn zwischen ihre Daumen und blies darauf. Ein schrilles Quäken ertönte. Als ich es versuchte, besabberte ich mir nur die Hände. »Ich kapier nicht, wieso du das nicht kannst«, sagte sie.
    »Ich bin halt nicht so sportlich wie du.«
    »Das ist doch kein Sport«, sagte sie. »Das ist Grasblasen.«
    Ich zuckte die Achseln. Madeline bewegte ihren Pinsel, und Blau durchzog den oberen Rand ihres Bildes. Sie bewegte ihn erneut, und ein weiterer blauer Strich erschien, tiefer und dunkler als der erste.
    »Lass uns was machen«, sagte Dottie.
    »Was denn?«
    »Neckball. Ich hole Evie und Maureen von ihren blöden Puppen weg, und dann können sie mitspielen. Du kannst Evie haben, und ich nehme Maureen.«
    »Neckball ist zu schwer für sie«, sagte ich. Dotties Schwester Evie war sieben und Buds Schwester Maureen sechs. Dottie nannte die beiden Zimperliesen, Puppentrinen.
    Eine orangefarbene Spinne, kaum

Weitere Kostenlose Bücher