Rückkehr nach Wedenbruck
Die Koppeln mit ihren kleinen Bauminseln. Die Knicks aus wild wachsenden Sträuchern, Schlehenbüschen, Hagebutten und struppigen Weiden, die die Felder und Wiesen gegen den Wind schützten. Über die kahlen Äcker strich ein Schwarm Krähen. Bille glaubte, ihr Krächzen zu hören. Und roch es nicht schon nach der nahen Ostsee? Überall sah man jetzt die knorrigen, vielfach verschlungenen Kronen der uralten Eichen, die sich schwarz gegen den grauen Herbsthimmel abhoben. Alleen führten zu breiten Toren, hinter denen man weiße Gutshäuser erkennen konnte, flankiert von Stallungen und Scheunen. Oft waren es alte Fachwerkgebäude mit mächtigen Strohdächern.
Die Gespräche waren bald verstummt. Bei den überlauten Fahrgeräuschen des klapprigen Mietwagens musste man ohnehin brüllen, um sich verständlich zu machen. So konnte Bille in Ruhe ihren Gedanken nachhängen und den Blick auf die altvertraute Landschaft genießen.
Je näher sie dem Dorf Wedenbruck kamen, desto stärker spürte sie das Kribbeln in der Magengegend. Das Wiedersehen mit Zottel, mit Mutsch und Onkel Paul, Black Arrow , ihrem schönen Rappwallach, mit Groß-Willmsdorf und Hans Tiedjen, Toms Vater, dem das Gut und das Reiterinternat gehörten - sie konnte es kaum erwarten.
„Ich hab eine Bitte an euch“, sagte Bille, als sie nur noch einen Kilometer vom Dorf entfernt waren. „Ich möchte zuerst Zottel begrüßen. Es dauert nicht lange, nur zehn Minuten. Er steht doch noch im Reitstall Wedenbruck, oder?“
Florian warf den anderen einen Hilfe suchenden Blick zu. „Ja, weißt du, das wird nicht gehen, weil ..."
Bille erschrak. „Es ist ihm doch nichts passiert?“
Doch Florian brauchte sich nicht um eine glaubhafte Notlüge zu bemühen. Als sie um die nächste Kurve bogen, standen sie bereits da: Zottel und seine Freundin Panja, das rot gescheckte und das schwarz gescheckte Pony im Gespann vor einer geschmückten kleinen Kutsche, mit der Bille das letzte Stück des Weges fahren sollte. Gelenkt wurde das Gefährt von Lena, dem querschnittsgelähmten Mädchen, das Bille seinen ersten Reitunterricht und die Ausbildung ihrer Stute Panja verdankte.
Bille jubelte auf. „Wahnsinn! Ihr habt euch ja wirklich was einfallen lassen! Ich weiß echt nicht, was ich sagen soll!“ Ungeduldig zerrte sie an ihrem Sicherheitsgurt, der sich nicht schnell genug öffnen lassen wollte.
Florian brachte den Wagen zum Stehen. Bevor er zum Türgriff fassen konnte, war Bille bereits auf die Straße gesprungen und rannte zu Zottel hinüber. Zottel seinerseits strebte ihr mit einem fröhlichen Begrüßungswiehern entgegen. Lena versuchte vergeblich, das Gespann zu halten. Quer über die Fahrbahn stapfte Zottel seiner zweibeinigen Freundin entgegen, ungeachtet der hupenden Autos, die mit quietschenden Bremsen vor dem Hindernis zum Stehen kamen. Panja tat, was Zottel tat, sie lief mit, sosehr Lena sich auch in die Zügel hängte, während Daniel und Tom den Autos wild gestikulierend entgegenhetzten.
„Ein Unfall?“, brüllte ein Bauer von seinem Traktor herunter.
„Nee, eher ein Glücksfall“, rief Florian. „Wenn Sie wollen, können Sie die Geschichte an die Bildzeitung verkaufen. Eine Verlorengeglaubte kehrt aus der Wüste zurück.“
Bille hing an Zottels Hals und hörte und sah nichts von alldem. „Mein Zotteltier, mein Liebster, mein Kleiner, ich bin so froh, wieder bei dir zu sein!“ Zärtlich lehnte sie ihre Stirn gegen seine und fuhr ihm mit beiden Händen durch die dicke Mähne. Zottel schnorchelte begeistert.
„ Hmhmhm ...“, brummte er und schob diskret seine Nase an ihre Manteltasche heran, um schon mal zu prüfen, was sie ihm mitgebracht hatte.
Doch er musste sich gedulden. „Tut mir Leid, mein Dicker, Geschenke gibt’s erst später. Jetzt muss ich die anderen begrüßen. Hallo, Panja!“, wandte Bille sich an die schwarzweiß gescheckte Ponystute. „Du siehst großartig aus! Man merkt, wie sehr du verwöhnt wirst! Tag, Lena! Entschuldige, dass du als Letzte drankommst, aber so ist das nun mal. Eine tolle Idee, mich mit den Ponys abzuholen! Ihr empfangt mich, als wäre ich mindestens zehn Jahre weg gewesen und nicht nur eines. Ich weiß gar nicht, wie ich euch danken soll! Darf ich?“ Ehe Lena antworten konnte, war Bille auf den Kutschbock geklettert. Bereitwillig übergab das Mädchen ihr die Zügel. Bille wendete geschickt das Gespann. „Und jetzt -ab nach Hause!“, rief sie übermütig und schnalzte mit der Zunge.
Sie brauchte die
Weitere Kostenlose Bücher