Rückkehr nach Wedenbruck
Blicken der Umstehenden, die wissen wollten, wem dieser Begrüßungschor galt. Doch das war nun nicht mehr zu verheimlichen. Kaum hatte Bille den Ausgang hinter sich gelassen, stürzten sie sich auf sie: Bettina und Mini, die sich vor Tom, Joy und Daniel drängte, Nico und Florian, sogar Hannes Horbach , der Reitlehrer, war mitgekommen. Alle umringten Bille, um sie zu umarmen und zu begrüßen. Über ihren Köpfen schwankte bedenklich das riesige Plakat mit der Aufschrift „Herzlich willkommen zu Hause, Bille!“ und darunter einem mehr oder weniger geglückten Konterfei von Zottel. Bille wusste gar nicht, wohin sie sich zuerst wenden sollte. Doch das war auch nicht nötig, denn schon nahmen Daniel und Tom sie zwischen sich, hoben sie hoch in die Luft und setzten sie sich auf die Schultern. Im Triumphmarsch durchquerten sie die Halle. Das Schlusslicht bildete Florian, der Billes Tasche hinter sich herzog. Zurück ließen sie eine Menschenansammlung, die sich fragte, um welchen Fernsehstar es sich bei dem hübschen blonden Mädchen wohl handelte.
Billes Müdigkeit war im Nu verflogen. „Ihr seid ja wahnsinnig! So einen Empfang hätte ich nie erwartet.“
„Wir müssen dich doch ein bisschen darüber hinwegtrösten, dass Simon nicht hier ist“, sagte Bettina lachend. „Am liebsten hätten wir natürlich auch Zottel mitgebracht. Aber die Flughafen-Aufsicht hat was gegen Ponys in der Ankunftshalle. Besonders gegen solche, die in Kioske mit Süßigkeiten einbrechen.“
„Außerdem wollten wir ihm die Stadt mit jeder Menge Staus und Stop-and-go-Verkehr nicht zumuten. Am Ende wäre er aus dem Transporter gesprungen und zu Fuß nach Wedenbruck zurückgelaufen“, fügte Mini hinzu. „Mit ein paar Zwischenstopps in Bäckereien und Supermärkten, versteht sich, um das eine oder andere Picknick zu halten.“
„Ich habe solche Sehnsucht nach meinem Dicken gehabt!“, seufzte Bille. „Ihm hätte es dort super gefallen. Aber ich bin sicher, er hat sich zu Hause auch ohne mich prächtig amüsiert.“
„Darauf kannst du wetten.“ Die Freunde sahen sich grinsend an. „An Tröstungen jeglicher Art hat es ihm nicht gefehlt“, murmelte Joy und warf Mini rasch einen Blick zu.
„Mit größerem Flurschaden hat er uns allerdings verschont“, beteuerte Tom schnell. „Keine Sorge!“
Vor dem Flughafen entließen sie Bille von ihrem Hochsitz. Daniel zeigte zum Parkplatz hinüber. „Da drüben, der VW-Bus ist unsrer. Wir haben ihn ausgeliehen, um nicht mit mehreren Autos fahren zu müssen. Eigentlich hatten wir nicht damit gerechnet, dass du nur mit Handgepäck reist.“
Bille boxte ihn kichernd in die Rippen. „Klar! Du hast natürlich geglaubt, ich hätte drei Schrankkoffer voller Geschenke dabei. Sättel, silberbeschlagenes Zaumzeug, für jeden einen Mexikanerhut , vielleicht noch ein paar Gitarren und Indianertrommeln ...“
Florian, der im vergangenen Jahr nach dem dritten Anlauf seine Führerscheinprüfung geschafft hatte, legte großen Wert darauf, Bille seine Fahrkünste vorzuführen. Er holte den Wagen vom Parkplatz und fuhr rasant vor das Portal, womit er den wütenden Protest eines Taxifahrers erntete, der gerade im Begriff war loszufahren. Florian tat, als habe er nichts bemerkt. Wie so oft entschuldigte sich seine Freundin Nico an seiner Stelle mit einem liebenswürdigen Lächeln bei dem verärgerten Mann. Daniel verstaute Billes Tasche im Kofferraum, und die anderen nahmen auf den hinteren Bänken Platz.
Schwungvoll hatte Florian die Tür zum Beifahrersitz aufgerissen und verbeugte sich nun vor Bille. „Darf ich bitten, Miss?“ Dann half er ihr beflissen beim Einsteigen und reichte ihr den Sicherheitsgurt. „Wir bitten Sie, während des gesamten Fluges angeschnallt zu bleiben.“
„Mann, das ist ein Service! Danke, Flori .“ Aufatmend ließ sich Bille in den Sitz fallen. Es war ein tolles Gefühl, wieder nach Hause zu kommen. Auch wenn sie noch vor Stunden sicher gewesen war, dass sie sich im grauen deutschen Herbstnebel verzweifelt nach der mexikanischen Sonne zurücksehnen würde - davon konnte jetzt keine Rede mehr sein! Während Florian den Wagen durch die Straßen der Stadt steuerte, sah Bille sich neugierig um.
Alles war schön. Selbst die Bäume mit den welkenden Blättern, der leichte Nieselregen, der jetzt einsetzte, der Dunst, der in Gärten und Parks hing, die letzten Rosen in den säuberlich gelockerten Beeten. Die leicht hügelige Landschaft, als sie nun aus der Stadt herauskamen.
Weitere Kostenlose Bücher