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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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der Sterne.
    Bregg, glaubst du, daß wir geflogen wären, wenn es sie nicht gegeben hätte? Ich glaube, schon. Wir hätten dann die Leere kennenlernen wollen, um das Ganze irgendwie zu rechtfertigen. Geonides oder irgendein anderer würde uns sagen, was für wertvolle Messungen und Erkundungen man da unterwegs machen kann. Versteh mich richtig. Ich behaupte nicht, daß die Sterne nur ein Vorwand sind … Der Pol ist es ja auch nicht gewesen, Nansen und Andree brauchten ihn… Der Everest war für Mallory und Irving nötiger als die Luft selbst. Du sagst, ich hätte euch Befehle – im Namen der Wissenschaft – erteilt? Aber du weißt doch, daß das nicht stimmt. Du wolltest mein Gedächtnis auf die Probe stellen. Vielleicht probiere ich nun das deine aus? Erinnerst du dich an den Thomas-Planetoiden?« Ich zuckte zusammen.
    Â»Du hast uns damals belogen. Du bist ein zweites Mal hingeflogen, obwohl du wußtest, daß er nicht mehr lebte. Stimmt’s?«
    Ich schwieg.
    Â»Hab es mir schon damals gedacht. Ich sprach mit Gimma nicht darüber, nehme aber an, er wußte es auch. Wozu bist du denn noch mal geflogen, Bregg? Das war doch nicht mehr Arkturus oder Kerenea, und es gab dort niemanden mehr zu retten. Wozu wolltest du also hin – Mensch?«
    Ich schwieg. Thurber lächelte unmerklich.
    Â»Weißt du, was unser Pech war, Bregg? Die Tatsache, daß wir Erfolg hatten und jetzt hier sitzen. Der Mensch kehrt immer mit leeren Händen zurück …«
    Er verstummte. Sein Lächeln wurde zu einer Grimasse, fast gedankenlos. Eine Weile atmete er lauter, ballte beide Fäuste am Schreibtischrand. Ich schaute ihn an, als sähe ich ihn zum ersten Mal – denn nun dachte ich plötzlich: ›Er ist schon alt.‹ Diese Entdeckung war ein Schock für mich. Nie war mir vorher ein solcher Gedanke in Verbindung mit ihm gekommen – er war für mich stets alterslos gewesen…
    Â»Thurber«, sagte ich leise, »hör mal… aber das … das ist ja eine Grabrede. Über dem Grab dieser … dieser Unersättlichen. Die gibt es nicht mehr. Und wird es auch nicht mehr geben. Also – trotz allem – gewinnt Starck hier die Oberhand …«
    Er zeigte wohl die Spitzen seiner flachen, gelben Zähne, aber es war kein Lächeln.
    Â»Bregg, gib mir dein Ehrenwort, daß du das, was ich dir jetzt sagen werde, niemandem weitererzählen wirst.«
    Ich zögerte noch.
    Â»Niemandem«, wiederholte er mit Nachdruck.
    Â»Gut.«
    Er stand auf, ging in die Ecke, holte eine Papierrolle und kam damit zum Schreibtisch zurück.
    Das Papier raschelte in seinen Händen, als er es entrollte. Ich sah einen roten wie mit Blut gezeichneten aufgeschnittenen Fisch.
    Â»Thurber!«
    Â»Ja«, meinte er ruhig, indem er mit beiden Händen die Papiere wieder zusammenrollte.
    Â»Eine neue Expedition?«
    Â»Ja«, wiederholte er. Ging zur Ecke, stellte dort die Rolle auf, lehnte sie gegen die Wand, wie eine Waffe.
    Â»Wann? Wohin?«
    Â»Nicht so bald. Zum Zentrum.«
    Â»Schützen-Wolke …«, flüsterte ich.
    Â»Ja. Die Vorbereitungen werden etwas dauern. Aber dank der Anabiose …«
    Er sprach weiter, aber mich erreichten nur einzelne Worte: »Flug in der Schlinge«, »gravitationsfreie Akzeleration« – und die Aufregung, die mich überkam, als ich die von den Konstrukteuren aufgezeichnete Gestalt des großen Geschosses sah, schlug in eine unerwartete Mattigkeit um, mit der ich – wie durch hereinbrechende Dunkelheit – meine eigenen Hände betrachtete, die auf meinen Knien lagen. Thurber hörte auf zu sprechen, schielte zu mir hin, ging an den Schreibtisch und fing an, seine Papiermappen zusammenzulegen, als ob er mir Zeit geben wollte, diese ungewöhnliche Nachricht zu verdauen. Ich hätte ihn mit Fragen überschütten sollen – wer von uns, von den Alten, wohl fliegen würde, wie viele Jahre diese Expedition verschlingen sollte, welches ihre Ziele waren. Aber ich stellte keine Fragen. Sogar weshalb das Ganze als Geheimnis gehandelt wurde, wollte ich nicht wissen.
    Ich sah seine großen, vergröberten Hände an, auf denen sich sein vorgerücktes Alter deutlicher als auf seinem Gesicht abzeichnete, und meine Benommenheit vermischte sich mit einer Spur von Genugtuung, die ebenso unerwartet wie unschön war: – daß er ganz bestimmt

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