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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verzweifelt, der Steuermann hob beide Arme, ich sah seinen im Schrei offenen Mund, hörte aber keine Stimme, er tanzte auf dem Bootsschnabel, die Piroge lief seitlich, die abgeprallte Welle hielt uns, eine Sekunde lang blieben wir an Ort und Stelle, dann – als ob es die verbissene Arbeit der Pagaya nie gegeben hätte – drehte sich das Boot um und glitt rückwärts, immer schneller.
    Urplötzlich, die Ruder hinwerfend, verschwanden die beiden Reihen der Neger, sie sprangen ohne zu überlegen von beiden Seiten der Piroge ins Wasser. Als letzter sprang der Steuermann.
    Die Frau schrie zum zweiten Mal auf; ihr Begleiter stemmte beide Beine auf die gegenüberliegende Bootsseite; ich betrachtete, wahrhaft entzückt, diese Schau der vorbeischießenden Wassermengen, der leuchtenden Regenbogen, das Boot schlug gegen irgend etwas – ein Schrei, ein schrecklicher Schrei … Quer zu dem Wasserfall vor uns lag dicht über der Oberfläche ein Baum, ein Waldriese, der von oben herabgefallen war und eine Art Brücke bildete. Meine beiden Mitfahrer duckten sich auf den Boden. Einen Sekundenbruchteil zögerte ich, es ihnen nachzutun. Ich wußte ja, daß das alles – die Neger, diese ganze Reise, der afrikanische Wasserfall – nur staunenswerte Illusion war, aber reglos sitzen zu bleiben, wenn sich der Bootsschnabel schon unter den wasserüberfluteten, teerigen Stamm des Riesenbaumes schob, ging über meine Kräfte. Blitzartig legte ich mich lang, hob aber gleichzeitig den Arm: der ging durch den Stamm hindurch, ohne ihn zu berühren, ich spürte – wider Erwarten – gar nichts. Trotzdem blieb die Vorstellung bestehen, wir wären wie durch ein Wunder einer Katastrophe entgangen. Es war noch nicht zu Ende: auf der nächsten Welle bäumte sich die Piroge auf, eine Flut überschwemmte uns, drehte das Boot, ein paar Herzschläge lang kreiste es, höllisch ins Zentrum des Falls zielend. Wenn die Frau schrie, so hörte ich es nicht, konnte auch nichts hören: das Brechen, Knarren der berstenden Bootsteile fühlte ich mit meinem ganzen Körper, das Gehör war vom Tosen des Wasserfalls wie ausgeschaltet; die Piroge, mit unmenschlicher Kraft hochgeworfen, keilte sich zwischen den Felsbrocken fest. Die beiden anderen sprangen auf den vom Wasser überfluteten Felsen, robbten hinauf und ich hinterdrein.
    Wir befanden uns auf einem Felsbrocken zwischen zwei Wasserarmen von zuckendem Weiß. Das rechte Ufer war ziemlich weit; zum linken führte ein Steg, in den Felsspalten verankert, dicht über den Wellen, die ins Innere des Höllenkessels schlugen. Die Luft war eisig von Nebel und Wasserspritzern. Der schmale Steg, ohne Geländer, glitschig von Feuchtigkeit, hing über einer harten, dröhnenden Wand; man mußte die Füße auf die morschen Bretter stellen, die lose in geflochtenen Leinen hingen, und ein paar Schritte bis zum Ufer gehen. Die anderen knieten vor mir und schienen sich zu zanken, wer von ihnen als erster gehen sollte. Selbstverständlich hörte ich nichts. Die Luft schien erhärtet durch das unablässige Donnern.
    Endlich stand der junge Mann auf und sagte irgend etwas zu mir, indem er nach unten wies. Ich sah die Piroge: ihr abgetrennter Teil tanzte gerade auf einer Welle und verschwand, stets schneller wirbelnd, vom Fall eingesogen. Der junge Mann mit dem Tigerfell war weniger gleichgültig oder schläfrig als zu Anfang der Reise, dafür aber verärgert, als hätte er sich hier gegen seinen Willen eingefunden. Er faßte die Frau an den Schultern, und ich dachte, er sei verrückt geworden: offensichtlich versuchte er sie direkt in den dröhnenden Rachen zu stoßen. Die Frau sagte etwas zu ihm, ich sah die Empörung in ihren Augen aufleuchten. Ich legte ihnen beiden die Hände auf die Schultern, als Zeichen, daß sie mich durchlassen möchten, und kam auf den Steg. Der wippte und tanzte: ich ging nicht sehr schnell, fing mein Gleichgewicht mit den Schultern, einmal und noch ein zweites Mal schwankte ich etwas. Urplötzlich erzitterte der Steg derart, daß ich fast hinunterfiel. Das war die Frau, die, ohne mein Durchgehen abzuwarten, schon auf den Steg kam – aus Angst hinunterzufallen, sprang ich stark vornüber, landete an dem äußersten Felsenzipfel und drehte mich sogleich um. Die Frau kam nicht durch: sie ging zurück. Der junge Mann ging jetzt als erster, hielt sie

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