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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dschungelbewachsen. In reglosen Wasserlachen lagen Boote oder vielmehr Pirogen, die ausgehöhlte Baumstämme waren; auf dem Hintergrund der graugrünen Gewässer, die sich faul dahinwälzten, standen in hieratischen Posen riesige Neger, nackt, von Öl glänzend und mit einer kalkweißen Tätowierung bedeckt; jeder von ihnen stakte mit einem spatenartigen Ruder sein Boot.
    Eins davon fuhr gerade ab, randvoll: seine schwarze Besatzung scheuchte durch Ruderhiebe und gellendes Geschrei die halb im Schlamm ruhenden, baumstammähnlichen, knorrigen Krokodile, die sich herumwälzten und – machtlos mit ihren wuchtigen Kiefern klappernd – sich ins tiefere Wasser gleiten ließen. Wir waren sieben, die das steile Ufer hinuntergingen. Die ersten vier nahmen Platz im nächsten Boot, die Neger stemmten mit deutlicher Anstrengung die Ruder ein und schoben das schwankende Schiffchen so weit ab, bis es sich gedreht hatte; ich blieb etwas zurück, vor mir gab es nur das eine Paar, dem ich die Entscheidung wie auch die bevorstehende Reise verdankte. Soeben erschien ein weiteres Boot, wohl zehn Meter lang, die schwarzen Ruderer riefen uns etwas zu, kämpften mit dem Strom und gelangten recht geschickt ans Ufer. Wir sprangen ins modernde Bootsinnere, Staub wirbelte empor, der nach verkohlendem Holz roch. Der Jüngling in der phantastischen Tracht – einem Tigerfell, wobei die obere Schädelhälfte des Raubtiers, die ihm auf dem Rücken hing, ihm gegebenenfalls als Kopfbedeckung dienen konnte – half seiner Begleiterin, sich zu setzen. Ich nahm ihnen gegenüber Platz. Wir fuhren schon eine ganze Weile, ja, obwohl ich mich noch vor wenigen Minuten im Park, mitten in der Nacht, befunden hatte, war ich dessen nun nicht mehr so sicher. Der riesige Neger am aufragenden Bug schrie alle paar Sekunden wild auf, zwei aufglänzende Rückenreihen beugten sich, die Pagaya-Ruder tauchten kurz und kräftig ins Wasser, das Boot scheuerte am Grund, schleppte sich wieder vorwärts, bis es plötzlich in die Hauptströmung des Flusses geriet.
    Ich spürte den schweren Geruch von warmem Wasser, von Schlamm und faulenden Pflanzen, die an uns vorbeischwammen, dicht an den Bootswänden, die kaum eine Handbreit über dem Wasserspiegel standen. Die Ufer entfernten sich, der typisch graugrüne, wie zu Asche gewordene Busch flog vorbei, von den sonnenverbrannten Sandbänken glitten manchmal – plötzlich belebten Baumstämmen gleich – die Krokodile. Eines hielt sich recht lange an Backbord, allmählich überschwemmte das Wasser seinen länglichen Kopf, dann die hervorstehenden Augen, und nur seine Nase, dunkel wie ein Flußstein, zerriß gerade noch die graue Wasseroberfläche. Hinter den gleichmäßig arbeitenden Rücken der schwarzen Ruderer sah man die hochaufgestauten Buckel des Flusses, dort, wo er unterseeische Hindernisse zu passieren hatte – der Neger am Bug stieß dann einen anderen, nasalen Schrei aus, die Ruder begannen an einer Seite kräftiger anzuschlagen, und das wuchs zusammen zu einem gewaltigen Schrei. Das Boot drehte sich. Es fiel mir schwer zu sagen, wann die dumpfen Brusttöne der Neger, im Rhythmus der Ruder, zu einem unheimlich finsteren, ständig wiederkehrenden Lied wurden, das in eine Klage ausartete und dessen Refrain das wütende Wogen des von Rudern durchfurchten Wassers war. So schwammen wir, auf irgendeine Art fast ins Herz von Afrika versetzt, durch den Riesenfluß unter den graugrünen Waldrändern. Die Dschungelwand entfernte sich allmählich und verschwand unter den zitternden Massen der erhitzten Luft. Der schwarze Steuermann gab das Tempo an. In der Ferne weideten in einer Ebene Antilopen, einmal zog eine Herde von Giraffen vorbei, in Staubwolken schwer und langsam dahintrabend. Und plötzlich fühlte ich auf mir den Blick der gegenübersitzenden Frau und erwiderte ihn.
    Ihre Schönheit überraschte mich. Schon vorher hatte ich bemerkt, daß sie hübsch war: aber das war eine flüchtige Feststellung, die meine Aufmerksamkeit nicht weiter in Anspruch nahm. Jetzt war ich ihr zu nah, um bei dieser ersten Beurteilung bleiben zu können: sie war nicht hübsch, sondern einfach schön. Sie hatte dunkles Haar mit einem kupfernen Glanz, ein weißes, unvorstellbar ruhiges Gesicht und einen reglosen, dunklen Mund. Ich war wie bezaubert. Nicht wie sonst von einer Frau – eher wie

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