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Rückkehr von den Sternen

Rückkehr von den Sternen

Titel: Rückkehr von den Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dieses unter der Sonne verstummte Land. Ihre Schönheit war von jener Vollkommenheit, die ich immer gefürchtet hatte. Vielleicht kam es daher, daß ich auf der Erde viel zu wenig erlebt, viel zuviel darüber nachgedacht hatte. Jedenfalls hatte ich hier vor mir eine dieser Frauen, die aus einem anderen Ton gemacht zu sein scheinen als die üblichen Sterblichen, obwohl diese herrliche Lüge nur von einer bestimmten Harmonie der Gesichtszüge stammt und ganz auf der Oberfläche bleibt. Wer aber denkt schon daran, während er sie ansieht?
    Sie lächelte nur mit den Augen, ihre Lippen bewahrten den Ausdruck mokanter Gleichgültigkeit. Nicht mir gegenüber; er galt ihren eigenen Gedanken.
    Ihr Weggenosse saß auf einem in die Baumstammhöhlung eingekeilten Bänkchen, er ließ seine linke Hand lose über Bord hängen, so daß seine Fingerspitzen im Wasser blieben. Doch er sah nicht hin, auch nicht auf das vorbeiziehende Panorama des wilden Afrika; er saß gelangweilt, wie im Wartezimmer eines Zahnarztes, ein für allemal uninteressiert und gleichgültig.
    Vor uns erschienen nun auf dem ganzen Fluß verstreute graue Steine. Der Steuermann fing mit einer durchdringenden Stimme fast wie ein Beschwörer zu schreien an. Die Neger schlugen eifriger mit den Rudern, und als sich die Steine als Nilpferde entpuppten, hatte das Boot bereits an Schwung gewonnen: die Herde der Dickhäuter blieb hinter uns. Hinter dem rhythmischen Ruderschlag, dem heiseren, schweren Gesang der Ruderer vernahm man ein dumpfes Rauschen, es war nicht festzustellen, woher es kam. In der Ferne, dort, wo der Fluß zwischen den immer steileren Ufern verschwand, zeigten sich urplötzlich zwei riesige, einander entgegenschwingende Regenbogen.
    Â»Age! Annai! Annai Agee!!« brüllte wie irrsinnig der Steuermann. Die Neger verdoppelten die Ruderschläge, das Boot flog, als ob es wirklich Flügel hätte, die Frau streckte den Arm aus und suchte, ohne hinzuschauen, die Hand ihres Begleiters.
    Der Steuermann brüllte. Die Piroge lief mit einer staunenswerten Geschwindigkeit. Der Schnabel kam hoch, wir glitten den Kamm einer riesengroßen, scheinbar reglosen Welle hinab, und zwischen der Reihen der in wahnsinnigem Tempo arbeitenden schwarzen Rücken sah ich eine mächtige Flußbiegung: das Wasser, plötzlich dunkel, schlug gegen einen Felseneingang. Die Strömung teilte sich, wir zogen nach rechts, wo das Wasser mit weißen Schaumkronen hochwirbelte. Der linke Flußarm verschwand wie abgeschnitten. Nur ein Riesendonner und Säulen von Wasserstaub zeugten davon, daß die Felsen dort einen Wasserfall verbargen.
    Wir umgingen ihn und kamen in den anderen Flußarm, doch auch hier herrschte keine Ruhe. Die Piroge spurtete nun wie ein Pferd zwischen den schwarzen Felsen, die eine Wand von röhrendem Wasser zum Stehen brachten. Wir kamen dem Ufer nahe, die Neger an der rechten Bootsseite hörten auf zu rudern, legten die stumpfen Handgriffe der Pagaya an die Brust, und die Piroge, vom Felsen abgeprallt, gelangte in den inneren Streifen des Flußarms. Der Schnabel flog hoch, der dort stehende Steuermann bewahrte sein Gleichgewicht nur wie durch ein Wunder.
    Ich war von den umhersprühenden kalten Wasserspritzern bald durchtränkt. Die Piroge zitterte wie eine Saite und schoß nun hinunter. Unheimlich war diese Wildwasserfahrt; beiderseits flogen schwarze Felsen mit wehenden Wassermähnen vorbei. Ein und noch ein anderes Mal prallte die Piroge mit einem dumpfen Dröhnen von den Steinbrocken ab und geriet, wie ein auf weißem Schaum fliegender Pfeil, in den Rachen der rasenden Geschwindigkeit. Ich sah hoch und bemerkte oben auseinanderklaffende Sykomorenkronen; zwischen ihren Asten sprangen kleine Äffchen herum. Ich mußte mich am Bootsrand festhalten, so stark war die Erschütterung des Bootes. Wir waren völlig durchnäßt.
    Es ging noch steiler hinab – oder war das schon ein Fallen? Die Felsbrocken am Ufer flogen zurück wie monströse Vögel mit einem Wasserwirbel an den Flügeln – Donner, Donner. Auf dem Hintergrund des Himmels zeichneten sich die aufrechtstehenden Silhouetten der Ruderer wie Bewacher dieser Naturkatastrophe ab – wir liefen geradewegs auf eine Felsensäule, vor uns wirbelte eine schwarze Wassermenge, die sich teilte, wir flogen einem Hindernis entgegen, und ich hörte einen Frauenschrei. Die Neger kämpften

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