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Rütlischwur

Rütlischwur

Titel: Rütlischwur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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dem gelben Metall basierte. Man nannte es den Goldstandard. Das Papiergeld, das die Banken in Umlauf brachten, hatte seinen festen Gegenwert in Gold. Jeder Geldschein, egal, welcher Währung, war durch die real existierenden Vorräte des Metalls gedeckt. Zu einem fixen Wechselkurs.
    War es möglich, dass Billadier mit seinem neugeschaffenen Bankensystem genau dies bezweckte, dass jede Transaktion durch Gold gedeckt war? Denn allein durch Vertrauen, so wie es im klassischen Hawala funktionierte, war in der westlichen Welt kein Staat zu machen. Das musste dem Obersten klargeworden sein.
    Für das Geld ohne Schatten waren Goldreserven die perfekte Ergänzung. Man brauchte für das gelbe Metall keine Tresore. Es reichten Parkanlagen, in denen man tonnenschwere Plastiken hinstellen konnte, oder alte Militärbunker im Gotthard, wie sie Billadier mit seinen Genossen aufgekauft hatte. Für die Staatsanwälte und Steuerermittler hingegen, die Aufsichtsbehörden und Kontrollinstanzen – für sie wäre ein solches Institut kaum fassbar. Ein Nebelgeschwür, für das es nicht die geringste Handhabe gäbe. Und wie bei einem Gift, das man sowohl zum Heilen wie auch zum Töten verwenden konnte, kam es darauf an, in wessen Hände es gelangte.
    In den nächsten zwei Stunden versuchte Eschenbach herauszufinden, wer nach dem Ableben von Billadier im A. Landmark Trust das Sagen hatte. Wirklich schlau wurde er nicht. Insgeheim hatte er gehofft, eine Spur von Judith zu finden. Aber es waren Anwälte, die dort im Aufsichtsgremium saßen. Dieselben Schweizer Anwälte, die schon Billadiers Geständnis den Polizeibehörden übergeben hatten. Und weil es in diesem Land nicht nur ein Berufsgeheimnis für Banken, sondern auch eines für Anwälte gab, fand der Kommissar nicht heraus, wer beim Trust im Hintergrund die Fäden zog.
    Der Oberst hatte ganze Arbeit geleistet.
    Erst als sich Eschenbach seiner Post zuwandte, kam etwas Licht ins Dunkel. Eine ganze Menge Weihnachtskarten waren es: Joyeux Noël , Seasons Greetings  – vorgedruckte Sprüche, die meist ohne einen einzigen persönlichen Satz lieblos unterschrieben waren.
    Ein Kuvert jedoch fiel aus der Reihe. Obwohl es nicht besonders dick war, wog es mindestens ein halbes Kilo. Der Kommissar öffnete den Umschlag. Ein großer goldener Stern kam zum Vorschein, eine Karte mit einer Fotografie lag ebenfalls bei. Das Bild zeigte den Kinderarzt und Musiker »Beatocello«, jenen Mann also, der als Dr. Beat Richner über die letzten zwanzig Jahre in Kambodscha sieben Spitäler aufgebaut und darin über eine Million schwerkranker Kinder hospitalisiert hatte.
    Der behäbige Schweizer mit der Stirnglatze lächelte. Links und rechts von ihm standen zwei Frauen: eine ältere mit langem weißem Haar und eine jüngere mit einem blonden Pagenschnitt.
    »Chester und Judith«, murmelte Eschenbach betroffen. Er hätte nie gedacht, dass er die beiden noch einmal sehen würde. Schon gar nicht in Zusammenhang mit einer Organisation, der jeder gute Schweizer sein Geld zukommen ließ (wenn er etwas davon übrighatte und großzügig war).
    Auf der Karte stand in geschwungener Schrift: Herzlichen Dank für Ihre Spende, Kommissar. Wir wünschen Ihnen von Herzen frohe Weihnachten!
    Eschenbach sah sich die Unterschriften an. Sogar der Fotograf hatte noch einen Gruß dazugeschrieben: Felicem Diem Natalem – et Bonum Annum Novum!
    Frohe Weihnachten wünschte der Kommissar auch den Kolleginnen und Kollegen am Ende seiner kurzen Ansprache am Abend. Aus Kostengründen hatte man dieses Jahr auf ein üppiges Nachtessen in einem der Zunfthäuser verzichtet und war in ein Zelt beim Landesmuseum gegangen. Es gab Finger-Food und einen günstigen Rotwein. Corina fand es »speziell«, und Eschenbach konnte damit leben. Denn wenn die Banken in Zürich, weil sie Verluste machten, keine Steuern mehr bezahlten, ging dies auch an der Kantonspolizei nicht spurlos vorbei.
    Kurz vor elf Uhr löste sich die Gesellschaft auf. Eschenbach und Corina gingen über den Bahnhofplatz und bestaunten die neue Weihnachtsbeleuchtung. Anstelle der kalten Neonröhren der letzten Jahre funkelten hoch über der Bahnhofstrasse Mil­lionen von kleinen Lämpchen.
    »Zürich ist wärmer geworden«, meinte der Kommissar etwas besäuselt. Und beim Anblick dieser Sternenpracht kam ihm das Lied in den Sinn, das Zarli Carigiet als Clochard in der Niederdorfoper so wunderschön gesungen hatte:
    Mis Dach isch dr Himmel vo Züri
    und s’ Bellevue mis Bett won i

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