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Ruf der Dämmerung (German Edition)

Ruf der Dämmerung (German Edition)

Titel: Ruf der Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Neues zu entnehmen. Interessant fand Viola nur die Informationen über die »Zähmung« des Kelpie. Wenn man sie sich – egal ob als Pferd oder in Menschengestalt – untertan machte, führten sie wohl ein völlig normales Leben als Pferd oder Mensch: Sie brauchten niemanden mehr seiner Seele zu berauben, um zu überleben, aber irgendwann starben sie natürlich. Sie musste Ahi fragen, ob er als Kelpie unsterblich war – wobei ihr schon der Gedanke wieder Angst machte. Ahi wirkte wie ein Siebzehn- oder Achtzehnjähriger. Aber was war, wenn er tatsächlich schon Hunderte von Jahren lebte?
    Ahi lachte, als sie ihn schließlich wiedersah und ihre Fragen stellte. Er hatte erneut in der beginnenden Dämmerung auf sie gewartet und streckte ihr zur Begrüßung auffordernd die Hände entgegen. Viola überlegte, ob ein menschlicher Junge sie vielleicht umarmt hätte. Aber sicher kein so schüchterner und zurückhaltender Typ wie Ahi. Es gab hier schließlich charakterliche Unterschiede. Zumindest bei Menschen – und bei Kelpies?
    Ahi wirkte heute fröhlicher und gelöster als beim letzten Treffen. Und das, obwohl Viola es wieder nicht schaffte, seine Hände zu ergreifen. Dabei hätte sie ihn gern berührt – sie hätte ihn sogar gern geküsst. Aber Viola ließ sich nicht gehen – sie hatte sich immer kontrolliert, war nie blind verliebt gewesen und hatte sich nie ohne nachzudenken auf irgendwelche Gefahren eingelassen. Vielleicht hatte sie sich auch deshalb nie für eine Sportart begeistern können, und ganz sicher war dies einer der Gründe, weshalb sie noch keinen Freund gehabt hatte. Viola wollte sich sicher fühlen – bei allem, was sie tat. Und seit einigen Monaten war sie da noch vorsichtiger als bisher. Schließlich war die Sicherheit ihres Zuhauses sehr plötzlich zerstört worden, als ihr Vater mit Ainné auf und davon ging. Viola hatte sich danach geschworen, einem Mann niemals völlig zu vertrauen, sondern immer mit Enttäuschungen zu rechnen. Und nun war sie drauf und dran, ihr Herz an ein Wesen zu verlieren, das noch viel fremdartiger und unverständlicher war als nur ein Vertreter des anderen Geschlechts! Viola war insofern entschlossen, zunächst so viel wie möglich über Kelpies herauszufinden. Sie konnte sich nicht überwinden, sich Ahis faszinierender Berührung auszuliefern, solange ihr seine Spezies so fremd war.
    Jetzt, nachdem die ersten Fragen gestellt waren, betrachtete sie ihn voller Nervosität. Schließlich wollte sie ihn nicht kränken – und auf keinen Fall verschrecken. Sie wünschte sich einmal mehr, Gedanken lesen zu können. Ob Ahi mit der Zurückweisung von ihrer Seite gerechnet hatte? Oder hatte er gemeint, die Enthüllungen vom letzten Mal hätten Violas Neugier befriedigt? Fühlte er sich verärgert, ausgehorcht? Hatte er auf Vertrauen gehofft statt auf Nachhaken? Viola beobachtete ihn verstohlen von der Seite und versuchte, ihre Fragen so vorsichtig wie möglich zu formulieren. Aber Ahi machte es ihr leicht. Wenn er tatsächlich enttäuscht war, kam er offensichtlich mühelos darüber hinweg. Ahi schien sanft und anpassungsfähig. Manchmal erinnerte er Viola an Shawnas ähnlich gelassenes Wesen.
    Als Viola weiterhin Abstand von ihm hielt, ließ er die Hände nur entschuldigend lächelnd sinken. Um ihr dann zu sagen, wie sehr er sich freue, sie wiederzusehen.
    »Ich warte auf diese Stunde, Viola … Es ist … es ist, als zerrtest du an mir, ich fühle mich nicht ganz, ich finde meine Melodie nicht mehr, seit ich dich berührt habe. Wenn ich dich sehe, ist es, als ob ein Kreis sich schließt – und je näher du mir kommst, desto mehr füllt er sich mit Musik …«
    Viola errötete. Noch nie hatte jemand so schöne Worte zu ihr gesagt – sie klangen nach alten Liedern oder Ritterromanen. Nicht mal den Autoren von Fantasy-Games war bislang so etwas eingefallen. Aber Ahi beschrieb hier auch nur zu genau, wie sie selbst sich fühlte. War dies normale Verliebtheit? Oder konnte ein Kelpie nicht von einer Seele lassen, wenn er sie einmal berührt hatte? Endete die Begegnung mit dem Volk des Sees auch deshalb meist mit dem Tod?
    Um nicht ertappt zu werden, wanderten Ahi und Viola den Uferweg entlang, während sie miteinander sprachen. Ahi ließ seine Hand dabei an Violas Seite herabhängen, immer bereit, die ihre zu erfassen, wenn sie sich dazu entschloss. »Es ist immer ein Angebot …«
    Sein Verhalten passte zu dem, was Viola bereits über Kelpies wusste: Sie verabscheuten

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