Ruf der Geister (German Edition)
stutzte Joshua. Dann durchströmte ihn endlich die Erkenntnis, dass der alte Geist recht hatte. Sie waren Kinder gewesen, was hätte er tun können? Nadjas seelische Grausamkeit hätte nie jemand ungeschehen machen können. Und als sie erwachsen waren, da hatte Mark sich immer souverän gegeben. Bis zum Tod der Mutter war es ihm blendend gelungen, seine innere Not vor sich selbst und der Welt zu verbergen.
Die Stimmen von Lea und Julian durchbrachen seine Gedankenflut und holten ihn aus seinen Überlegungen. Er beobachtete, wie Lea mit spannungsgeladener Stimme von einem Einsatz erzählte und Julian förmlich an ihren Lippen hing. Der Junge aß seinen kompletten Keksvorrat auf und wirkte gelöster denn je. Lea schenkte Joshua ein geheimnisvolles Lächeln, das sein Herz berührte.
Er hatte seinen besten Freund verloren, der durch seinen Schmerz drei Leben für immer ausgelöscht hatte. Dennoch wurde ihm hier, in diesem Moment, etwas Kostbares geschenkt, was er durch seinen Kummer nicht zerstören wollte. Alles Dunkle wollte Joshua verdrängen und die guten Erinnerungen an Mark beschützen, der fünfundzwanzig Jahre ein Teil seines Lebens gewesen war.
Die Wintersonne durchbrach die Wolken, schien durch das Fenster und erhellte das Wohnzimmer mit ihrem go ldenen Licht.
Joshua sah in Julians strahlende Augen, lauschte se inem fröhlichen Geplapper. Leas Stimme erfüllte den Raum und wärmte ihn wie die Strahlen der Nachmittagssonne. Ein Glücksgefühl durchströmte ihn und die Schatten wichen endlich zurück, verblassten im Licht eines Neuanfangs.
EPILOG
Im Friedwald in Lohmar zeigten sich bereits zarte Knospen an den sonst kahlen Ästen. Die Kälte war den Frühlingsboten gewichen und erste Vögel zwitscherten in den Zweigen dieses wunderschönen Waldes. An einige der hohen Laubbäume waren bunte Bänder gebunden, andere trugen Schilder, auf denen sich Namen und Sprüche fanden. Einzelne Schneeglöckchen streckten sich der Sonne entgegen und tupften Leben in den erwachenden Wald, der für viele Menschen zur letzten Ruhestätte geworden war.
Ein zufriedenes Lächeln huschte über Joshuas Lippen. Hier war der richtige Ort. Mark hatte stets große Bewunderung für Wälder gehegt und sich dort stets beschützt gefühlt.
Lea hakte sich bei ihm unter und lächelte sanft. „Bist du soweit?“
„Ja.“
Er gab Herrn Weber ein Zeichen, doch der winkte ab. „Mark würde wollen, dass du es tust.“
Joshua nickte und nahm die Urne entgegen. Die Schi ene seines gebrochenen Armes behinderte ihn nicht allzu sehr. Er kniete sich neben eine Eiche, die ihre Zweige behütend über die Lichtung ausstreckte. Sonnenstrahlen fielen auf den Platz, der mit Frühlingsblumen geschmückt war. Hier würde den Tag über kaum Schatten sein und in der Nacht beleuchtete der Mond die Stätte. Lange hatte er danach suchen müssen, aber nun konnte er Mark seinen letzten Wunsch erfüllen.
„Keine Dunkelheit, mein Freund. Hier ist nur Licht“, flüsterte er.
Normalerweise musste die Urne ins Erdreich gebettet werden, doch Joshua hatte durchgesetzt, dass die Asche ausnahmsweise auf dem Waldboden über dem Laub verteilt werden durfte, denn dieser Baum gehörte Mark allein.
Der Förster des Friedwaldes hielt sich abseits und ve rfolgte stumm die Beisetzung.
Joshua öffnete die Urne. Behutsam verstreute er die Asche über das Laub und die gepflanzten Blumen. Lea reichte ihm ein Schild. Erneut las er die Inschrift, die an dem Baum verewigt werden würde:
Möge immer ein Licht für dich leuchten.
Möge dein Schmerz vergehen.
Mögest du Vergebung finden.
Joshua befestigte das Schild an Marks Eiche und trat zurück. Tröstend nahm Lea seine Hand. Er hielt inne. Langsam blickte er auf. Mark stand an der Eiche. Sein Gesicht trug den Ausdruck puren Friedens.
Danke, Josh.
Sanft lächelte Joshua ihm zu. Still nahm er Abschied von seinem Freund, der ihn mehr als zwei Jahrzehnte begleitet hatte. Als der Geist verblasste, richtete er sich auf. Eine Weile verharrten sie noch an der Grabstätte. Doch irgendwann lösten sie sich und liefen durch den ruhigen Wald zurück auf den Weg.
Joshua hob ihre ineinander verschlungenen Hände an und küsste Leas Handrücken. „Ich liebe dich.“
Danksagung
An dieser Stelle möchte ich einen kleinen Dank aussprechen, denn ohne diese Menschen wäre das Buch so nie entstanden. Allen voran meiner Agentin Alisha Bionda, die mich bestärkte, auch mal neue Wege zu gehen und mich auf die Idee
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