Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
seinem Gegenüber, als er fragte: „Bist du der Amarok?“
„Wer will das wissen?“
Rote Augen funkelten ihn in der Dämmerung der Höhle an. Das Rudel hob erneut zu knurren an, doch diesmal antworteten seine Gefolgsleute auf dieselbe Weise. Wenigstens standen sie hinter ihm.
„Ich bin Domeniko aus dem ältesten Adelsgeschlecht der Lycaner. Künftiger Fürst aller Werwolfrudel.“
Der Amarok stieß ein kehliges Lachen aus. „Was willst du hier, Lycanthrop? Denkst du, mich beeindrucken die Titel einer Hierarchie, mit der ich nichts zu schaffen habe? Du willst ein Fürst sein? Na und? Ich bin ein König in meinem Reich.“
Die Waheelas knurrten und heulten zustimmend. Domeniko bot all seine Beherrschung auf, um nicht zurückzuweichen. Jetzt galt es, klug zu handeln. Zumindest sprach der Amarok mit ihm, statt ihn gleich zu zerfetzen. Demnach bestand die Chance, dass er sich nicht durch die primitive Unterwerfung in einem Zweikampf der Treue des Riesenwolfes und seines Rudels versichern musste. Das wäre ein aussichtsloses Unterfangen, wie er sich eingestand. Ein Partner, mit dem er reden konnte, war ihm bedeutend lieber – und schonte seine Kräfte.
„Das sehe ich, mächtiger Amarok.“ Schmeicheleien konnten nie schaden. „Und ich war mir dessen bewusst, ehe ich es mit eigenen Augen sah, denn dies ist der Grund, der mich hierher brachte.“
Der Riesenwolf umrundete ihn mit steifen Schritten, untermalt vom Klangteppich der Waheela-Stimmen. Domeniko kam sich vor wie ein Menü, bei dem der Speisende wohl gerade überlegte, welcher Teil besonders schmackhaft wäre.
„Sag, was du willst, Lycanthrop und dann verschwinde. Wir sind artverwandt, darum sehe ich davon ab, dich und dein mickriges Rudel zu unserer Mahlzeit zu erklären. Aber strapaziere meine Gastfreundschaft nicht.“
Domeniko bedeutete seinen Gefolgsleuten zu schweigen, um die Spannungen nicht anzuheizen, die in der Luft lagen. Im Gegensatz zum Amarok schienen die Waheelas nicht über menschenartige Sprache zu verfügen. Umso genauer würden sie wolfsartige Kommunikation nehmen.
„Ich bin nicht hier, um dich oder dein Rudel zu bedrängen oder gar zu bedrohen“, erklärte er. „Wie du siehst, sind wir nur wenige. Mein Rudel ist größer, doch da ich nicht auf einen Kampf aus bin, noch auf ein anderweitiges Miteinandermessen, sah ich keine Notwendigkeit, mit meinem gesamten Gefolge zu kommen.“
Der Amarok nickte und legte sich nieder. Dies sollte wohl das Zeichen sein, dass auch er keinen Wert auf Bedrohlichkeit oder Machtspiele legte. Sein Rudel verstummte augenblicklich und suchte ebenfalls die Liegeplätze auf.
Domeniko traute sich jetzt so nah an den Amarok heran, dass dieser nur hätte zuschnappen müssen. Riskant, aber auch ein Zeichen von Vertrauen und Mut, mit dem er den Geisterwolf zu beeindrucken suchte. Obwohl Domeniko stand und der Amarok lang ausgestreckt lag, überragte er ihn deutlich. Er hasste jegliches Gefühl von Unterlegenheit, aber das war nicht zu ändern. Er brauchte den Amarok und die Waheelas. Keiner außer dem großen Geisterwolf konnte die Aufgabe übernehmen, die Domeniko ihm zugedacht hatte.
„Ich brauche deine Hilfe“, gestand er.
„Und wieso denkst du, sollte ich dir helfen?“
„Weil das, was ich plane, auch dir und deinem Rudel die Freiheit wiederschenkt. Kein Verstecken mehr in Höhlen, keine Furcht vor den Waffen der Menschen, die auch die Geisterwölfe zur Strecke bringen können.“
Der Amarok spitzte die Ohren und Domeniko triumphierte innerlich.
„Einst bannten sie uns mit Magie, heute haben sie uns fast vergessen, doch wir sind weiterhin geächtet. Wenn sie einen von uns sehen, haben sie Blitzfeuer, das uns in Stücke reißt. Sie schmücken sich mit den Fellen unserer Familie und damit, ein Monster erlegt zu haben.“
Domeniko nickte und machte ein betrübtes Gesicht. „Ich weiß. Und uns geht es nicht viel besser, obwohl wir angepasst nahe bei den Menschen leben. Dennoch müssen auch wir uns verstecken, denn sie würden uns jagen und vernichten, wenn sie um unsere Existenz wüssten. Einige von ihnen tun es sogar, weil ihnen die Wesen der anderen Seite nicht fremd sind. An Frieden ist nicht zu denken.“
„Was also ist dein Ansinnen? Willst du etwas daran ändern? Dann lass es mich hören, und wenn dein Plan gut ist, bin ich vielleicht geneigt, meine Hilfe anzubieten.“
Er unterstrich mit diesen Worten, dass die Initiative für eine Zusammenarbeit nur von ihm kommen konnte. Das
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