Eine verlockende Braut: Roman (German Edition)
Kapitel 1
»Ach, sieh dir nur das liebe Mädchen an. Die Kleine zittert ja vor Freude und Glück.«
»Und wer kann ihr daraus schon einen Vorwurf machen? Sie hat vermutlich ihr ganzes Leben lang von diesem Tag geträumt.«
»Aye, das ist aber auch der Traum eines jeden jungen Mädchens, nicht wahr? Einen reichen Laird zu heiraten, der es sich leisten kann, seiner Frau jeden Wunsch zu erfüllen, nicht wahr?«
»Sie sollte sich in der Tat glücklich schätzen, so einen erstaunlich guten Fang gemacht zu haben. Mit den ganzen Sommersprossen ist sie ja beileibe keine große Schönheit.«
»Ich möchte wetten, dass sie sie noch nicht einmal mit einem ganzen Glas von Gowland’s Lotion wegbleichen kann! Und der Kupferton in ihren Haaren lässt sie ein klein wenig gewöhnlich aussehen, meinst du nicht? Ich habe gehört, dass der Earl sie in London in ihrer dritten und letztenSaison kennengelernt hat, als sie fast schon alle Hoffnung aufgeben musste, doch noch einen Ehemann zu finden. Himmel, es heißt, sie sei fast schon einundzwanzig.«
»Nein! So grässlich alt?«
»Ja, das habe ich wenigstens gehört. Sie stand kurz davor, als Ladenhüter zu enden, bis unser Laird sie bei den alten Jungfern entdeckt und einen seiner Männer geschickt hat, mit ihr zu tanzen.«
Während sie starr nach vorn schaute und sich große Mühe gab, nicht auf das heftige Flüstern der beiden Frauen zu hören, die in der ersten Reihe der Kirche saßen und miteinander tratschten, konnte Emmaline Marlowe nicht umhin, die Wahrheit in ihren Äußerungen anzuerkennen.
Sie hatte tatsächlich ihr ganzes Leben lang von diesem Tag geträumt.
Sie hatte davon geträumt, vor einem Altar zu stehen und dem Mann, den sie liebte und bewunderte, ihr Herz zu schenken und ihm lebenslange Treue zu schwören. In diesen verschwommenen Träumen hatte sie nie einen klaren Blick auf sein Gesicht erhaschen können, aber sie wusste, die Leidenschaft, die in seinen Augen glomm, würde sich nicht verbergen lassen, wenn er schwor, sie den Rest seines Lebens zu lieben und zu ehren.
Sie senkte den Blick auf den leicht bebenden Strauß getrockneter Heide in ihrer Hand und war dankbar, dass die lächelnden Zuschauer, die dicht gedrängt in den langen schmalen Bankreihen zu beiden Seiten des Mittelgangs in der Kirche saßen, das Zittern dem Glück und der Vorfreude zuschrieben, wie man es bei einer jeden jungen Braut erwarten durfte, die kurz davor stand, ihr Ehegelöbnis zu leisten. Sie war die Einzige, die wusste, dass es viel mehr an der Kälte lag, die die uralten Steinmauern der Kirche des ehemaligen Klosters ausstrahlten.
Und ihr Herz.
Sie warf einen verstohlenen Blick zu dem Kirchhof hinter den hohen schmalen Fenstern. Himmel in der Farbe unpolierten Zinns lag brütend und unheilvoll über dem Tal, sodass der Tag eher an tiefsten Winter statt an Mitte April erinnerte. Die skelettartigen Zweige von Eiche und Ulme mussten erst noch die erste grüne Knospe ansetzen. Grabsteine ragten schief aus dem felsigen Boden, und die Inschriften im Stein waren unter dem erbarmungslosen Angriff der Elemente längst verblasst. Emma fragte sich unwillkürlich, wie viele von denen, die nun unter der Erde ruhten, einmal Bräute wie sie gewesen waren, junge Frauen, voller Hoffnungen und Träume, die zu früh von Entscheidungen anderer und dem unausweichlichen Verstreichen der Zeit zunichtegemacht wurden.
Die zackigen Umrisse der Berge erhoben sich über dem Kirchhof wie Denkmäler eines noch primitiveren Zeitalters. Dieses raue Highland-Klima, in dem der Winter sich trotzig dagegen wehrte, seinen eisigen Griff zu lockern, schien ihr Welten entfernt von der sanft hügeligen Landschaft in Lancashire, wo sie und ihre Schwestern so gerne sorglos und übermütig herumgetollt waren. Die Hügel dort waren bereits grün und saftig in der Verheißung auf Frühling und lockten die Wanderer nach Hause, die dumm genug gewesen waren, das Land zu verlassen.
Zuhause, dachte Emma, und ihr Herz zog sich vor Sehnsucht schmerzlich zusammen. Ein Ort, an den sie nach heute nicht länger gehörte.
Sie warf einen erschreckten Blick über ihre Schulter und entdeckte ihre Eltern, die in der Reihe der Familie Hepburn saßen und ihr voller Stolz und unter Tränen zulächelten. Sie war ein braves Mädchen. Eine pflichtbewusste Tochter. Diejenige, auf die man sich immer verlassen konnte, dass sie ihren drei jüngeren Schwestern ein gutes Vorbild war. Elberta, Edwina und Ernestine saßen aneinander gekauert auf
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