Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
unaufhörlich vom Bett herüber. Eloin erkannte darin kein Drohgebaren, sondern das Röcheln einer stark angegriffenen Lunge. Es stand schlimmer um Corelus, als sie dachten.
Der Fürst ließ seinen Blick durch die Runde schweifen, auf dem einen oder anderen länger verharren. Er wartete, bis im Raum wieder Ruhe herrschte, ehe er das Wort ergriff.
„Ich habe euch alle hergebeten“, begann er, und man hörte, wie viel Mühe ihm das Sprechen bereitete, „weil ich spüre, dass meine Zeit sich dem Ende neigt.“
Allgemeines Murmeln, entsetzte Blicke – Corelus hob beschwichtigend die pfotenartigen Hände. „Unser Volk ist nicht unsterblich, ich hadere somit nicht. Doch mich bedrückt, was die Zukunft bringen mag, wenn falsche Entscheidungen getroffen werden.“
Er blickte den schwarzen Domeniko scharf an, der verhalten die Zähne fletschte, aber zurückwich.
„Der Friedenspakt mit den Menschen hat den Lycanern geholfen, zu überleben.“
Das Schnauben aus Domenikos direktem Umfeld wurde ignoriert oder mit skeptischen Blicken geahndet. Eloin spürte, wie sich sein Nackenfell sträubte. Die meisten hier im Raum standen also auf Corelus’ Seite, doch Domeniko war stolz und hatte ebenfalls viele Anhänger. Nach ihrem Fürsten war er der reinblütigste Lycaner aus der Königslinie. Er würde sich seine Rechte nicht ohne Weiteres nehmen lassen, und seine Verachtung für die Menschen war kein Geheimnis.
„Mir liegt viel daran“, fuhr Corelus fort, „dass dieser Friede auch über meinen Tod hinaus Bestand hat. Ja, sogar weiter gefestigt wird. Die freundschaftlichen Bande zwischen PSI-Wesen und Menschen, die sich in den vergangenen sieben Jahren stärker denn je entwickeln, weisen in eine gute Richtung, eine sichere Zukunft für uns alle. Es lohnt, daran weiterzuarbeiten, dann werden wir irgendwann vielleicht wirklich offen und friedlich nebeneinander existieren, ohne dass sich eine Art vor der anderen verstecken muss oder sich bedroht fühlt.“
Die anwesenden Lycaner nickten. Nur Domeniko gab einen abfälligen Laut von sich. „Was sind die schon gegen uns? Erwartest du etwa, dass wir vor ihnen buckeln, uns demütigen? Das ist eines Lykanthropen unwürdig.“
Corelus sah ihn lange an, während man im Raum den Atem anhielt. Diese Worte glichen einem Affront, für den der Fürst seinen jungen Verwandten zur Rechenschaft ziehen konnte. Stattdessen nickte er bedächtig.
„Ich weiß, Domeniko, dass du so denkst. Dein Herz ist verbittert und voller Verachtung. Du hast die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt. Ich bedaure dies. Es quält mich seit vielen Tagen, in denen ich darüber nachgrüble, wem ich die Fürstenbürde übergebe. Und sie ist eine Bürde, das weiß ich wohl. Besonders, da nicht alle der Infragekommenden die nötige Reife besitzen, meine Entscheidung anzunehmen und ihr Rechnung zu tragen.“
Die Anspannung im Raum erreichte eine Intensität, dass keiner mehr zu atmen wagte, geschweige denn ein Wort über die Lippen brachte. Alles harrte auf Corelus’ Verkündung. Domenikos blaue Augen wurden schmal und ein hämisches Grinsen lag um sein Maul. Nach der königlichen Hierarchie konnte Corelus gar nicht anders, als ihm die Fürstenwürde zu verleihen. Egal was er von den Ansichten des jungen Werwolfes halten mochte.
Was wäre schlimmer? Domeniko sein Recht zu gewähren in dem Wissen, wie er es einsetzen würde? Dass er alles zu zerstören trachtete, was Corelus aufgebaut hatte, weil ihm der Frieden mit den Menschen ein Dorn im Auge war? Oder es ihm zu verweigern, was Domeniko sicher nicht widerspruchslos hinnahm. Ein Angriff auf Corelus wäre dann denkbar. Damit rechnete wohl auch der Butler, denn Eloin roch Silber und bemerkte, wie sich der menschliche Diener anspannte. Doch so dumm konnte der Lycanthrop nicht sein, inmitten des Lycaneradels den Fürsten anzugreifen. Die Gefahr für den künftigen Nachfolger und jeden, der sich auf seine Seite stellte, war weitaus größer. Domeniko war machthungrig, aber nicht leichtsinnig.
Ein eisiger Klumpen lag Eloin im Magen bei der Erkenntnis, dass Domeniko für diesen Fall womöglich schon einen Plan gefasst hatte, um sich sein Recht zur Not mit Gewalt zu holen.
„Domeniko“, sprach Corelus den Schwarzwolf direkt an. Dessen Grinsen wurde noch breiter. Einige Lycaner atmeten auf, die meisten blieben jedoch in Habacht-Stellung. „Nach der Erblinie des Lycandinums steht dir die nächste Fürstenwürde zu.“
Domeniko schickte sich bereits an, vor
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