Ruf des Blutes 6 - Wolfspakt (German Edition)
wieder bei Kräften bin, wird das Zeremoniell stattfinden. Bis dahin seid ihr alle meine Gäste. Ich bitte euch darum, Eloin die Treue zu schwören, wie ihr oder eure Väter und Mütter es auch bei mir taten. Sollte einer unter euch sein, der meine Entscheidung anzweifelt, steht es ihm frei, mein Haus zu verlassen. Ich werde mich jedoch weder rechtfertigen noch meine Entscheidung revidieren.“
Keiner verließ den Raum, aber einige Blicke jagten Eloin eisige Schauder über den Rücken. Das Wort des Fürsten wagte niemand in Zweifel zu ziehen, von Zustimmung war deshalb noch längst nicht die Rede.
„Man könnte meinen, hier wäre eine Bar eröffnet worden, keine Praxis.“
Thomas sammelte die leeren Sektflaschen ein und schüttelte den Kopf. Auch Steven lachte und fuhr sich mit hilflosem Blick durchs kurze, blonde Haar. Der Alkoholpegel war nicht das einzig Ungewöhnliche bei ihrer Praxiseröffnung, hätte aber zumindest den ein oder anderen gleich zu Behandlungszwecken länger hier einquartieren können. Zum Glück waren die Betroffenen trinkfest und die meisten nicht menschlich. Mit den Kollegen aus der Klinik hatten sie gestern gefeiert. Wesentlich gediegener, um nicht zu sagen kühl, da es etliche Neider unter den anderen Ärzten gab.
„Haben wir uns das wirklich gut überlegt?“
Thomas’ schiefes Grinsen strafte den zweifelnden Ton seiner Stimme Lügen.
„Klar! Wir wollten doch schon immer, dass uns der Rest der Aufschneider die Pest an den Hals wünscht“, gab Steven zurück und zwinkerte.
Leicht hatten sie sich die Entscheidung nicht gemacht, eine eigene Praxis zu eröffnen. Vorrangig wollten sie hier PSI-Wesen behandeln, ohne unnötig Aufsehen zu erregen. Um den Schein zu wahren, nannten sie es ‚Neuropsychologische Praxis‘. Thomas’ Idee, und Steven musste zugeben, dass dies die Abrechnungen leichter machen würde.
Ganz aufgeben wollten sie ihre Jobs im Miami Medical aber nicht. Also teilten sie sich die Stelle in der Klinik und dank eines exakten Zeitplans standen die Chancen gut, das Medical, die Praxis und ihre Beziehung unter einen Hut zu bringen.
Steven zuckte die Achseln. „Außerdem lieben wir doch die Improvisation.“
Sie lachten. Improvisieren war ihnen in den vergangenen Jahren in Fleisch und Blut übergegangen. Ein Wunder, dass niemand sie erwischt hatte und keinem Kollegen in der Klinik aufgefallen war, dass nicht alle Patienten menschlich waren und über eine Sozialversicherungsnummer verfügten. Das verdankten sie auch Jessica. Leider wollte die Krankenschwester und Vampirin ihren Job in der Klinik nicht aufgeben. Da beide Männer für sie unerreichbar waren, blieb sie lieber dort, wo sich das Jagdrevier – für Liebhaber, nicht für Opfer – üppiger gestaltete.
Mit einem Tablett machte Thomas sich daran, die vielen Gläser wegzuräumen, während Steven die klebrigen Überreste aus Cocktails, Whiskey, Bier und Häppchen vom Boden wischte.
„Wenigstens gibt es keine Massenanschläge mehr. Dann wäre es anstrengend geworden.“
„Ja“, stimmte Thomas zu, „dann hätten wir Akkord arbeiten und Fließbänder statt Tragen in die Behandlungsräume einbauen müssen. Aber langweilig wird es auch so nicht.“
Steven sah seinen Freund nachdenklich an. Wärme durchflutete sein Herz. Thomas war immer noch ein Mensch und sollte es auch bleiben. Nicht das Blut band ihn an Steven, sondern Liebe. Trotzdem, oder gerade deshalb, war es nicht selbstverständlich, wie souverän er mit der Sache umging. Das imponierte Steven und machte ihn stolz. Es hatte nicht einen Tag gegeben, an dem Thomas gehadert hätte. Nie ein Zögern oder Zweifeln. Er vertraute ihm und akzeptierte die Andersartigkeit der PSIs ohne Einschränkung.
Lächelnd stellte Steven den Wischmopp beiseite, ging zu Thomas und entwand seinem Geliebten die Sektgläser. „Das können wir später machen.“
Er nahm Thomas’ Gesicht in beide Hände und küsste ihn zärtlich. Manchmal konnte er sein Glück mit diesem Mann immer noch nicht fassen. Die Umstände, unter denen ihre Beziehung – anfangs als rein sexuelle Affäre – begonnen hatte, waren von Gefahr und Stress geprägt gewesen. Dämonenjäger mit tödlichen Waffen und das Risiko, dass Stevens Tarnung aufflog, weil er immer mehr PSI-Wesen im Medical behandelte. Doch diese Extreme hatten sie zusammengeschweißt.
Thomas wusste, was Steven war und akzeptierte, dass er bei der Jagd ebenso selbstverständlich Menschen tötete, wie er jede Nacht Leben
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