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Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An!

Titel: Ruf! Mich! An! - Buschheuer, E: Ruf! Mich! An! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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knacken. Dietrich schnappte sich die Frau, ich den Mann. Jeden Dienstag gab’s »Pärchenknacken paradox«. Da nahm er den Mann aufs Korn und ich die Frau.
    Aber das war vorm Mauerfall und damit vor der Broilerisierung. Damals, als die Welt noch in Ordnung war. »Erzähl mir aus meiner Jugend«, sage ich oft, wenn ich melancholisch werde, denn meine eigenen Erinnerungen sind verloren. Was ich weiß, weiß ich von ihm. Und er schmückt unsere kleinen Orgien jedes Mal mehr aus, macht sie verwegener und verdorbener, verlegt sie an skurrile Plätze, baut ein gefährliches Moment ein und vergisst natürlich nie, sich selbst als ultrapotenten Helden dastehen zu lassen.
    Ich hole aus der Küche zehn Weihnachtskalender von Butter-Lindner, reiße erst viele Türchen auf, dann die ganzen Vorderwände ab, schütte alles aufs Parkett, auf dem die Wollmäuse tanzen, setze mich daneben und stopfe unablässig kleine schmutzige Schokozapfen in mich rein.
    »Fressen ist der Sex des Alters«, sagt Dietrich. »Apropos Alter. Wie geht es denn mit Roberts Entjungferung voran?« Die Frage wird begleitet von einem donnergleichenFurz. »Keine fäkalen Details! Mach gefälligst die Tür zu!« – »Nasagmal! Nur ein kleiner Tritonus aus meiner Fagotttrompete! Wird doch wohl erlaubt sein!« Warte, Freundchen! Dir niese ich nachher ins Kokain! Oder, besser, ich mach Scheuerpulver rein, und es fetzt dir die Nasenscheidewand weg! Ich schütte mir die restlichen Valium aus der Dose direkt in den Mund.
    Zur Strafe für die Pupserei erzähle ich Dietrich nicht, dass Robert immer noch Jungfrau ist. Das wird wohl auch so bleiben. Der Gute ist verloren für die Welt. Das Ende war vorprogrammiert. Kitty beschrieb es mir schluchzend am Telefon. Kurz vor dem ersten Zungenkuss – nach dem Thai-Abend hatte es wider Erwarten doch noch einen kurzen Aufschwung gegeben – hatte Kitty Robert ihre von ihm hartnäckig geforderten Top-Ten-Kinofilme überreicht. Er warf einen Blick darauf und ging kommentarlos kotzen.
    Seitdem ward nichts von ihm gehört. Das wäre ja noch zu verkraften, aber auch Valmont spielt toter Mann. Sein Blick beim letzten Mal, als er mich mit aller Kraft würgte, weil ich ihn darum bat. Was sagt der Film-Valmont, als er mit Michelle Pfeiffer Schluss macht? »Ich fühle mich so unendlich gelangweilt. Dagegen bin ich machtlos!« Das muss ja so kommen! Das wird auch unser Ende sein! Warum sonst hätte er sich den Namen Valmont gegeben? Wo bleibt er nur? Ist es etwa schon so weit? Ist das böse Ende da? Dietrich sagt, ich grüble zu viel. Ich neige zu obsessionsbedingter Detailüberinterpretation. Ich soll lieber dichten, jetzt, wo ich den
Aspekte
-Literatur preis abgeräumt habe. Seit er meine Gedichte aus einer Laune heraus an irgendeinen Verlag geschickt hat, entwickelt dieser Zeitvertreib eine atemberaubende Eigendynamik. Dietrich hat natürlich keine Ahnung, wie meineWerke entstehen. Würde ich es ihm erzählen, dann ginge ein Großteil seiner Bewunderung schlagartig gegen null. Und das kann ich unmöglich wollen. Das kann keiner wollen! Nachdem ich alle mir bekannten Schimpfwörter, Abzählreime und Tischgebete durch den Sprachcomputer gejagt habe, lese ich inzwischen wahllos alles ein, was so rumliegt:
Penthesilea
von Kleist, Einkaufszettel, Steuererklärungen, Kuchenrezepte, Kalendersprüche, die Programmierungsanleitung für den DVD-Recorder, die Speisekarte von Call a Pizza und sogar die Tampon-Einführ-Gebrauchsanweisung. Das Spracherkennungsprogramm versteht mich so zuverlässig mis, dass es nur noch eine Frage von Interpunktion und Versmaß ist, daraus eine Art Gedicht zu machen.

54. Tom »das Pupgesicht« Hanks
    Wenig später, auf MomphhMomphhs Maskenball im Wintergarten, bin ich schon ein Popstar. Ich halte Lesungen, gehe in Talkshows, gebe Lesetipps. Auf Partys erscheine ich nicht mehr unter einer Abendgage von zwanzigtausend Mark. Die Feuilletonisten nennen meine Gedichte »zum Niederknien schön«, finden darin »Worte von enormer Ätzkraft« und preisen mich als »Lyrikerin des dritten Jahrtausends«.
FAZ, Zeit
und
Süddeutsche
haben ganzseitige Analysen erbrochen. Der
Spiegel
brüstet sich, mein Entdecker zu sein. Alexander Kluge interviewte mich in seiner Küche für
News & Stories
. BILD brachte eine Homestory mit Informationen wie: »Die kinderlose Berlinerin lebt in einem Luxusapartment mit Kamin in der Nähe des Potsdamer Platzes.« Seit Puff Daddy mit der englischen Übersetzung meiner Texte aufPlatz 1 der

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