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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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für die Civilisation die schönsten Früchte entspringen. Wozu also dieser Dispüt, der uns nichts angeht? Die weisen und humanen Männer, denen unsere Regierung anvertraut ist, werden immer für unser Bestes sorgen, und was sie ersinnen, ist gut und wird zu unsrer Aller Ruhe beitragen.«
     
Fünftes Kapitel.
     
Der vornehme Gast.
    Der Grund dieser seltsamen Anrede war, daß der Wirth in dem Augenblicke den Gast in der Thür bemerkt hatte, welcher vorhin mit der Lorgnette die Gesellschaft musterte und jetzt mit einer raschen Vorwärtsbewegung den nächsten Gruppen zueilte. Und doch schien er, als der Geheimrath Bovillard ihn im Vorübergehen mit einem freundlichen Händedruck begrüßte, von dieser unerwarteten Gegenwart nicht wenig überrascht und erschreckt.
    »
Mesdames

Messieurs
!« sagte der wirkliche Geheimrath mit einer verbindlichen Neigung gegen den Spieltisch, »ich hoffe, daß sich Niemand derangiren lässt,« und war durch die nächste Gruppe, auch durch eine zweite und dritte, ohne sich um die Personen zu kümmern, geeilt, bis er die Wirthin fand, deren Hand er an die Lippen führte, und seine verspätete Erscheinung mit vielen schmeichlerischen Worten und einer höchst wichtigen Konferenz entschuldigte.
    Es war ein Funke in die Gesellschaft gefahren, die zu ermatten anfing; und der Funke hatte gezündet. Einen liebenswürdigeren, einen freundlicheren Mann, als diesen vornehmen Gast, konnte man sich nicht denken. Wie wusste er Jedem, der ihm vorgestellt ward, etwas Angenehmes zu sagen, wie wandte er sich mit Theilnahme und Herablassung zu ganz unbedeutenden Personen. Für Jeden hatte er ein verbindliches Wort.
    Die Tasse in der einen Hand, den Biscuit in der andern, wie gerieth er plötzlich ins Feuer und erzählte mit hinreißender Lebendigkeit irgend ein gleichgültiges Ereigniß, das er am Hofe erlebt. Der subalterne Zuhörerkreis war in Entzücken über die Vertraulichkeit eines so hochgestellten Mannes. Ebenso plötzlich konnte er freilich einen Andern am Arm ergreifen, und ohne sich zu kümmern um Die, welche er eben an seine Fersen gebannt und um sich als Trabanten gezaubert, ihn mit einem:
à propos
wissen Sie schon? beiseit ziehen. Er flüsterte ihm etwas ins Ohr, er setzte die Tasse fort, die Hand vor dem Munde sprach er noch leiser, aber mit faunischem Lächeln; nein, er lächelte nicht mehr, er lachte, er kicherte, wenn sich das für einen wirklichen Geheimrath geschickt hätte. Der Andere natürlich lächelte auch, er lachte, er versuchte zu kichern.
    Die Lorgnette am Auge, und das Gesicht halb über die Schulter gewandt, konnte man glauben, daß er nach dem Gegenstande suche, den sein beißender Witz eben getroffen. Aber er lorgnettirte nur ein hübsches Gesicht und sprach seine Admiration aus, daß die Kleine, die er nannte, sich so ausgewachsen; er hätte es nicht erwartet. Wenn man ihm bescheiden bemerkte, daß er die Personen verwechsele, fand er sich nicht in Verlegenheit, sondern stellte das Paradoxon auf: die Liebe solle zwar nicht wechseln, aber alle wahre Liebe bestände aus Verwechseln: »Unsere Phantasie schafft sich ein Ideal. Das lieben wir. Je öfter wir nun in einer
beauté
dies Ideal wiederzufinden glauben, um so glücklicher sind wir, und um so mehr Andere beglücken wir. Nicht wahr, Herr Geheimrath, die Fabel vom Amphitryo ist das Chef d'Oeuvre in der Mythologie?«
    Der in den Kreis getretene Geheimrath war nicht allein ein ernsthafter Mann, sondern er stand auf einer amtlichen Stufe die der eines wirklichen sehr nahe kam. Es hatte sich die Nachricht in der Gesellschaft verbreitet, daß ein Kourier, der heut Nachmittag wichtige Nachrichten gebracht, den Geheimrath so lange zurückgehalten. Er glaubte ein Recht zu haben, sich bei diesem danach zu erkundigen.
    »Bester Freund,« sagte letzterer in der Fensternische, wohin sie sich zurückgezogen, »wann verging ein Tag, wo nicht ein Kourier an einen Minister kam, und wenn ich ihre Wichtigkeit, nämlich unserer Minister, danach abwägen sollte, so wüsste ich wirklich nicht, wo vor Respekt bleiben. – Aber Gott weiß, mich hat nie danach gelüstet, ihre Geheimnisse früher zu erfahren, als sie an den Tag kamen. Denn was hilft mir's, ob der Kurfürst von Hessen seiner jüngsten Maitresse einen so kostbaren Hut geschenkt hat, daß die nächstältere darüber in einen Wuthkrampf verfallen ist. Oder wenn die Fetzen des heiligen Römischen Reichs sich darüber streiten, ob der Professor Fichte ein Deist ist oder keiner?

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