Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht
erkannte, erkennt Napoleon den Genius der in unserer Monarchie lebt. Sie glauben garnicht, wie man uns erkannt! Wir sind, wie bestimmt von dem Geist über dem Sternenzelt, brüderlich, Hand in Hand im Völkerbunde neben einander zu schreiten. Und da wollen Querköpfe eine tudesque Idee dazwischen schieben. Ich bitte Sie, ich wiederhole es, was sind Nationalitäten? Fragen Sie, wenn Sie Pfeffer kaufen, von wem Sie ihn kaufen? Der billigste Verkäufer ist der beste, Und wenn Sie verkaufen, wer den höchsten Preis dafür zahlt, der ist der beste Käufer: nicht, ob er Italiener ist, Franzos oder Russe.«
Dem Kaufmann aus der Brüderstraße schien der Ideengang des Staatsmannes denn doch nicht ganz geläufig. Er handelte nicht mit Pfeffer: »Herr Geheimrath beliebten von einem Kourier zu sprechen –«
Bovillard legte die Hand auf seinen Arm und mäßigte die Stimme: »Nur Ihnen, und unter dem Siegel des tiefsten Geheimnisses.« Bovillards Gesicht glänzte – »alle Mißverständnisse gehoben, alle Schwierigkeiten ausgeglichen, der König und unser Vaterland können sich glücklich schätzen, daß sie Diplomaten haben, welche es verstehen, Krieg zu führen ohne den Degen zu ziehen.«
An der Thürpfoste gelehnt, lorgnettirte der Geheimrath noch einmal ins Zimmer, nur stand neben ihm nicht mehr der Kaufmann aus der Brüderstraße, sondern ein Herr mit dem Kammerherrnschlüssel und einem Krückstock.
»
Parbleu, comme elle est belle – et bête! N'est-ce pas?
«
Die Bemerkung galt der Dame, welcher der Rittmeister vorher den Stuhl vor der Nase fortgenommen. Eine fast junonische Gestalt, aber mit ausdruckslosem Gesicht, stand sie in der Mitte des andern Zimmers – zufällig allein.
»Ist denn Niemand da, ihr die Cour zu machen?«
»Hier!« sagte der Kammerherr, mit verächtlichem Blick sich umsehend.
»Wir befinden uns allerdings in einer etwas gemischten Gesellschaft.
N'en parlons pas!
Wer ist denn sonst ihr Amoroso?«
»Wissen Sie denn nicht, Bovillard,« sagte der Kammerherr verwundert, »sie ist ohne Passionen.«
»
Tant mieux!
so müsste man sie ihr einjagen. Ich bitte Sie, Kammerherr, sehen Sie diese Formen an! Vielleicht ein Tugenddrache! Liebt sie ihren Mann?«
»Sie sind sechs oder acht Jahre verheirathet.«
»Der Baron spielt, sie stellt sich neben ihn!«
»Um eine Position zu haben.«
»Wie sie den Arm aufhebt! Sehen Sie – sehen Sie, ganz die Attitüde der Lichtenau! Die Lichtenau war auch nicht immer, was sie ist –«
»Sie wollten sagen, was sie war.«
»Wäre die Lichtenau nicht in Paris erzogen worden – Sehen Sie jetzt wieder – täuschend! Aus der Baronin kann etwas werden.«
»Nur keine Lichtenau,« seufzte der Kammerherr. »Diese Zeiten sind vorüber.«
»
Les temps changent, mais pas les hommes. Mon cher baron,
die Welt ist rund,
et tout ça reviendra.
Aber das Leben entflieht, die Jugend verblüht, es wäre wirklich ein mildthätiges Werk, die schöne Frau verliebt zu machen. Schaffen Sie mir einen Gegenstand, ich unternehme es.«
»Ich will Prinz Louis noch einmal aufmerksam machen; er scheint aber nicht darauf zu reflectiren.«
»Was, Prinzen! Den ersten besten, es gilt ja nur die Gaben der schönen Frau an den Mann bringen. Wir wollen sie etwas ins Gebet nehmen, und sehen, wo in der Conversation der Stahl den Feuerstein berührt.«
Als sie sich der Thür näherten, schwenkte indeß der Geheimrath, den Kammerherrn unterfassend, schnell wieder zurück. Die Dame in Rede stand hinter dem Stuhle ihres Gatten, und diesem gegenüber saß unsere Bekannte, welche uns in diese Gesellschaft geführt.
»Ein Andermal!« sagte Bovillard leis' zu seinem Begleiter. »Da sitzt die Geheimräthin.«
»Die Lupinus! – Sind Sie Feinde, oder – es ist doch keine alte Liaison?«
»Bewahre mich der Gottseibeiuns. Ich weiß nicht, die Frau hat für mich etwas –
je ne sais quoi.
Lombard lacht mich immer aus. Aber wer kann für Sympathieen und Antipathieen?«
»Sie ist eine gescheidte Frau.«
»Gewiß, aber heut muß ich doppelt ihre Distance wünschen. Habe mich zwei Mal vor ihrem Schwager verleugnen lassen. Was diese verdammten Kindesmörderinnen für Anhängsel haben!«
Sechstes Kapitel.
Der späte Gast.
Zwei Sonnen vertragen sich nicht am Himmel. Der Spieltisch, an dem die Geheimräthin Lupinus saß, war sehr einsam geworden! die Vögel, die nach dem Licht flackerten, blieben aus, seit das Licht des wirklichen Geheimrathes durch die Zimmer flackerte.
»Aber meine beste Frau
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