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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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unsichtbar beim Andern. Wir wissen oft nicht, woher diese Sympathie kommt, doch sie ist da. So in diesem Augenblick. Das Vergnügen, in dieser liebenswürdigen Gesellschaft zu sein, ist mir gestört, weil ich weiß, mein Mann hat nicht die Augen geschlossen und ruht nicht, wie er mir versprach, im Lehnstuhl aus, sondern er hat wieder seine Folianten vorgenommen, er vergleicht zwei alte Handschriften, er bückt sich über, er drückt die Feder, während der Angstschweiß ihm von der Stirne träuft, weil er sich die Abweichung einer Lesart nicht erklären kann. Ich sehe das Alles so deutlich vor mir, wie den Pique-As in Ihrer Hand –«
    Sie fuhr sich leicht über die Stirn und erschrak über den Eindruck, den ihre Rede gemacht. Dabei kam ihr zu Sinn, daß die Gesellschaft ja durch sie vom Spieltisch zurückgehalten werde. Sie bat um Entschuldigung wegen ihrer unzeitigen Herzenseröffnung.
    »Was kann eine schöne Seele Schöneres thun, als Andere ihre Empfindungen mitempfinden lassen,« lispelte eine Seele, die sich wohl selbst für schön hielt.
    »Nennen Sie es lieber eine Schwäche,« schüttelte die Geheimräthin den Kopf. »Die Welt will nicht, daß wir uns geben, wie wir sind, und die Welt hat im Grunde Recht.«
    Nun aber hatte sie auch keine Ruhe, als bis die Herrschaften sich niedergesetzt. Ein heiteres Vergnügen zu stören, erschien ihr immer wie eine Todsünde.
    Sie hatte Recht. Wer die Karte zur Whistpartie in der Hand hält, lässt sich ungern stören, am wenigsten durch Hergensergüsse einer schönen Seele.
    Einige hatten die Geheimräthin schon immer für eine Clairvoyante gehalten; die Clairvoyance war in der Mode. Andere meinten, sie sei nur von einer außerordentlich reizbaren nervösen Complexion. Man bedauerte sie, es gab wohl auch Andere, die sie darum beneideten. Hier lobte man sie, wie schonend sie das Verhältniß zu ihrem Ehemann darzustellen wisse, da Jedermann bekannt sei, ein wie eigensinniger Stubengelehrter der Geheimrath wäre. Sie sei gewissermaßen eine Märtyrerin ihres feinen Sentiments. Er bereite und gönne ihr kein Vergnügen, was sie sich nicht abstehle. Eine Andere rief: »Und wie unrecht von ihm, denn von ihr kommt doch das Geld!«
    Es war eine glänzende Gesellschaft aus den höheren Kreisen des mittleren Lebens. Aber man muß an eine Gesellschaft aus dem Anfang dieses Jahrhunderts ebensowenig den Maßstab des Glanzes von heut legen, als an die Komödienhäuser von damals den unserer Theater. Der Vergleich geht vielleicht noch weiter. Die Kleiderstoffe und Geschirre waren kostbarer, gediegener und dauerhaltiger, aber im künstlichen Ausbeuten und geschickten Zerlegen des Stoffes, damit jeder Theil seine Wirkung, erhalte, haben wir es weiter gebracht. Trifft das vielleicht auch auf die Unterhaltung zu? – Aber gar keinen Vergleich duldeten die Räumlichkeiten. Unsere Bürgerhäuser werden Paläste. Diese hohen Räume, die gewaltigen Fenster und Flügelthüren, welche den Zimmern die Wände stehlen, fand man zu Anfang dieses Jahrhunderts nur in den wenigen aristokratischen Häusern der nenen Stadt. Die vornehmen Bürgerhäuser in den Vierteln der Friedrichsstadt aus Friedrichs Zeit haben zum Theil anspruchsvolle Fa
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aden, im Innern ist alles klein und zugemessen. Die niedrigen Zimmer liefen eines in das andere; dennoch blieb der Wohnung etwas wohnliches, weil Flügelthüren und Fenster nicht die Räume unnatürlich verkürzten und der Mensch Platz für sich und seine Sachen an den Wänden fand, und trauliche Winkel, sich zu verlieren.
    Wovon man sich unterhielt? – Wer fasst die zückenden Irrlichter zusammen, die von Mund zu Munde hüpfen. Und in einer gemischten Gesellschaft!
     
    Hier politisch, dort poetisch,
    Regelrecht wie ein Lineal,
    Philosophisch und Aesthetisch
    Krümmend hier sich wie der Aal,
    Sprudelnd wie der Dampf vom Theetisch,
    Aber überall trivial.
     
    hat ein späterer Dichter sie beschrieben.
    Ob die Geheimräthin sie auch so fand? Sie wechselte oft die Gruppen. Hier der ewige Streit, ob Goethe oder Schiller ein größerer Dichter, sei? In diesen Kreisen war es längst entschieden. Welcher Mann von Bildung hätte zarten Lippen widersprochen, welche dem Dichter, der gesungen:
     
    Ehret die Frauen, sie flechten und weben
    Himmlische Rosen ins irdische Leben.
     
    den Preis zuerkannten! Es war nur seltsam, daß der Streit trotz der Entscheidung, immer wieder von Neuem aufgeworfen werden konnte. Eine Geheimräthin – es war aber eine dritte Geheimräthin

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