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Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht

Titel: Ruhe Ist Die Erste Buergerpflicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willibald Alexis
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Pandorabüchse, welche alle diese Hiobsposten ausgeschüttet hatte. »Sah er auch den Major Dohleneck fallen?« fragte sie sich selbst überwindend die Baronin schüchtern. »Den hat Dorville selbst gesprochen.«
    »Gesprochen! eh' er fiel?« – »Nur verwundet, aber nicht schwer. Er ist ranzionirt, oder losgegeben, er kommt direkt nach Berlin, nur darf er nicht mehr dienen in dem Kriege.« Wandel hatte nicht mehr Zeit den Blick zu sehen, den ihm Auguste Eitelbach zuwarf, ein triumphirender, durchbohrender Blick. Er sah auch nicht, wie ihre Brust sich hob, wie tief sie Athem schöpfte, um dann aus dem Stuhl zusammenzusinken, ihre Hände zu falten und ihr Gesicht zu verbergen. Der junge Mensch, den wir am Morgen bei Fuchsius sahen und den er Eckard nannte, hatte sich hinter ihn geschlichen und ihm zugeflüstert: »Es will Sie draußen Jemand sprechen.« Wandel fixirte den Menschen, ob er ihn einer Antwort zu würdigen habe, als sein Auge auf Fuchsius fiel, der unbeweglich an der Thür stand. »Ah, ein alter Freund!« sagte er. »Das glaube ich nicht,« entgegnete der junge Mensch.
    In dem Augenblick öffnete sich die Thür und ein Polizei-Inspektor schritt zum Befremden der Anwesenden auf Wandel zu, und sprach mit tönender Stimme: »Auf Requisition des Tribunals der Seine zu Paris, und auf ausdrückliches Ansuchen des Kaisers der Franzosen durch seine vormalige Gesandtschaft hier verhafte ich Sie.«
    Todtenstille. Wandel erblasste, doch nur auf einen Augenblick: »Das ist ein Mißverständniß!« er knöpfte sich zu, verbeugte sich leicht gegen die Anwesenden und folgte rasch dem Inspektor. Hinter ihm schnitt ein greller Pfiff durch die Luft. Der junge Vigilant hatte sich einen Spaß gemacht. Er schien ihn fortzusetzen, indem er beim Hinausgehen zu einem Angehörigen des Hauses sagte. »Sehen Sie nur im Sekretär nach, ob da nichts fehlt.«
    Der Inspektor brachte den Gefangenen in ein abgesondertes Zimmer zu flacher Erde, bis der bestellte Wagen ankam. Fuchsius Gesicht war undurchdringlich geblieben, als Wandel an ihm vorüberging. Das des Polizeimanns versprach ihm vielleicht mehr, als er mit verschlungenen Armen ihn beweglich anblickte: »So will man mich wirklich ausliefern – auf Requisition des Napoleonischen Gerichts?« – »Sie hörten es.« – »Wissen Sie, was mit mir geschieht? In vier und zwanzig Stunden bin ich erschossen. Ich wusste um eine Verschwörung gegen Bonaparte's Leben, ich war vielleicht selbst dabei implicirt. Der Kaiser weiß es; mein Loos ist entschieden. Ist Ihre Regierung so verzagt, mich ihrem Feinde auszuliefern, weil er droht, so sind vielleicht doch noch Patrioten im Volke, die den Vortheil ihres Vaterlandes und ihren eigenen bedenken.« Der fatale Pfiff des Vigilanten antwortete von draußen. Der Inspektor erwiderte ruhig: »Sie sind wegen Giftmordes verhaftet.« – »Das ist eine andere Sache,« hatte Wandel auch ruhig erwidert und sich nach dem Fenster gewandt.
    Nach einer kleinen Weile trat Herr von Fuchsius ein. Wandel begrüßte ihn höhnisch: »Ich gratulire, Ihr Staat macht noch in seinem Untergang Progressen zur Gesetzlichkeit. Als wäre ich in dem glücklichen England, hat man mir so eben das Verbrechen benannt, um was man Lust hatte, an mir einen Justizmord zu begehen. Ich danke Ihnen aufrichtig, Herr Regierungsrath, für die Berücksichtigung, da ich weiß, daß ich nach der alten Observanz sehr wohl ein halbes, auch Jahre in Ihrem freien Quartiere schmachten können, ohne mit einer Sterbenssilbe zu erfahren, was mir die Ehre verschaffe.«
    »Guido Florestan Baron Vansitter, genannt von Wandel!« redete Fuchsius ihn an. Er irrte, wenn er auf eine Bestürzung des Gefangenen gerechnet hatte. Nur ein moquanter Zug schwebte, um die Lippen desselben, als er erwiderte: »Ich bedaure die Mühe, die es Ihnen machen wird, meine Identität mit der meines genannten Vetters herzustellen. Die meisten Zeugen sind gestorben; bis Sie die überlebenden auftreiben und nach Berlin schaffen, darüber können Jahre vergehen. Der Untersuchungsrichter hat ein saures Geschäft, mein Herr von Fuchsius, wenn er Inquisiten vor sich hat, welche die Gesetze, die Menschen und ihre Inquirenten kennen. Aus persönlicher Freundschaft und Respekt vor Ihrem Charakter würde ich Ihnen rathen, die Untersuchung abzugeben. Sie erscheint Ihrem Ehrgeiz lockend, ich versichere Sie aber, ich ärgere Sie zu Tode.«
    »Aus Respekt vor Ihrer Bildung, und nur darum, habe ich zwei Worte mit Ihnen allein zu reden.«

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