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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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nicht einmal vor einem ganz unversehrt auf einer Platte aufgebahrten Ferkel mit Seidenpapiermanschetten und einer Zitrone im Maul zurück. Und weil es schon nicht mehr darauf ankommt, halten Kartoffelknödel und schmalzglänzendes Blaukraut den Magen beschäftigt.
    Ein Ringerl heißt eine Scheibe Ferkel in Bayern, das bedeutet einmal durchs Schweinchen vom Rücken bis zum Bauch, und führt, wie mein Großvater meinte, nicht zur Sättigung, worunter er eine zeitweilige vollständige Unbeweglichkeit verstand. Ihm verdanke ich auch die Klage, daß eine Gans ein unpraktischer Vogel sei, denn für einen ist sie zuviel und für zwei zuwenig. Es lasse sich da allenfalls mit der Fülle noch was machen.
    Diese Fülle war schon oft Gegenstand von Glaubens- und Bruderkriegen – nicht Schwesterkriegen. Bei Gänsen und ihrem Innenleben mischen sich die Männer immer ein. Das große Fressen ist nicht nur im Film überwiegend Männersache. Vielleicht ist es ein Atavismus: Eroberung und Vernichtung. Andererseits setzt sich die Frau, die mal wieder für die Zubereitung der Ausnahmemahlzeit hat verantwortlich sein dür
fen, schon sattprobiert an den Tisch und verläßt ihn wiederholt, um Salz zu holen, die Knödel am Zerfließen zu hindern und die Würste am Platzen. Der Mann zerteilt lediglich Braten jedweder Art, zerfleddert die Gans zu Haschee und die Wildsau zu Brocken und fragt heuchlerisch: Brust oder Keule?
    Warum gibt es hier keine Füchse? sagte meine Mutter Weihnachten um Weihnachten seufzend und legte die rohe Gans an leicht erreichbarer Stelle in den winterlichen Garten. Aber am nächsten Morgen war sie immer noch da und mußte zu guter Letzt gebraten werden, alles voller Fett, und tagelang Gedöns in der Küche, und das alles für die Vorfreude der Männer, die sich ums Tranchieren stritten und sich keineswegs schämten, wenn die Hosenbünde kniffen. In manchen Familien wird das Große Essen von allen drei Generationen gemeinsam hergestellt. Es hat sich aber durch Selbst- und Fremdversuche erwiesen, daß sich diese scheindemokratische Lösung nicht bewährt, denn jeder überfrißt sich schon in der Küche, und am Tisch wird nur noch gestochert und gemeckert: Hast du schon mal davon gehört, daß man die Trauben für die Sauce entkernt, die Semmelbrösel sind zu dunkel, innen ist es ja gar nicht mehr rosa, keiner hat daran gedacht, den Wein in den Kühlschrank zu tun. Jammer und wochenlang Reste, das hat man von der Küchendemokratie.
    Vielleicht ist es doch besser, zu solchen Anlässen ein Wirtshaus des Vertrauens aufzusuchen. Man sollte einen ruhigen Nebenraum wählen, denn auf die normal nahrungsaufnehmenden Menschen, »für mich nur einen Salat«, wirken Esser, denen das Fett über die Backen läuft und die Völlerei die Augäpfel heraustreibt, ziemlich obszön. Weil die, die sich solcherart gehenlassen, das wissen, würde ihnen durch fremde
Blicke das anachronistische Vergnügen versaut. Außerdem kotzt bei solchen schönen Anlässen immer irgendein Kind, auch das bleibt besser in der Familie.
    Das wirklich große Essen ist etwas für die Familie. Wenn man es mit Freunden zu zelebrieren gedenkt, muß man sehr genau überlegen, welche von ihnen dafür geeignet sind. Es darf zum Beispiel keine Atomkassandra dabei sein, die angesichts der in Rahm schwimmenden Steinpilze zum Wildschweinbraten vor Entsetzen bleich wird und die ganze Tischgesellschaft vor dem alsbaldigen Hinscheiden warnt. Um das wissen alle, deshalb ja der Freßausbruch! Die Liebhaber des Diätmarathons natürlich nicht, leider auch nicht die Tierschützer, zu denen man sich selber zählt und doch sündigt, immer mit dem trotzigen Gedanken, der eigene Kater sei alles andere als Vegetarier.
    Es sollten keine strengen Ästheten geladen werden, denn der hingebungsvolle Esser ist nicht imstande, auf seine äußere Erscheinung zu achten, er bindet sich Servietten um, die mit weißen Ohren einen Deppen aus ihm machen, den Esserinnen läuft die Nase, und auf dem Busen, dem seidenbekleideten, hat sich Salatöl und Sauce ausgebreitet. Das Tischtuch ist eine Landkarte mit Rotweinflüssen und Fettkontinenten, aus denen sich Brotbrocken und Knochen erheben, Inseln von welker Petersilie und zerschmetterte Nußschalen, Traubengerippe und welke Servietten tun ein übriges, daß der Anblick für

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