Rund wie die Erde
gefährlich mit Weinhebern, Brezelkatzen und Käsewürfelpilzen begonnen hatte, endet mit Professuren für vollgemüllte EÃtische â das ist Dekadenz. LaÃt uns fortgehen und einen Tisch suchen, blau darf er sein, mit sechs Stühlen. Vor jedem ein Teller, weiÃ, ein Glas, dick. Dort wollen wir ausruhen und die Augen säubern, bevor wir über das Essen nachdenken.
Oh Rosmarin! Oh Thymian!
So fang ich meine Hymni an!
Ihr holt im Nu für jeden her
Das weite, blaue Mittelmeer!
Wo die Blutwurst der
Leberwurst begegnet
Die halbe Sau, die am Gestell vor dem Bauernhof hängt, menschenhäutig und ausgestreckt, verursachte einst ein groÃes Kindergeheul, gefolgt von geschluchzten Schwüren, nie im Leben etwas anderes zu werden als ein Vegetarier. Oh, und der kopflose Gleitflug des bunten Puters! Das ausgespannte Fell des Rammlers Mümmel! Nie würde man beim Sündigen mittun, nie! Aber sachte und immer kräftiger roch es dann am Nachmittag nach Metzelsuppe und Würsten, später nach dem Rauch der Schinken und Geselchtem. Kümmel, Majoran und Pfeffer lieÃen den Mord vergessen und stärkten den Glauben an Abstraktion und Wiedergeburt.
Jetzt ist dieser Weg verschüttet, das GroÃe Fressen tut, als ob es erst bei der Abstraktion anfangen würde, mit trügerischer, verlogener Unschuld kommt es daher. Als Ersatzsünde muà nun das Cholesterin herhalten, die angestrebte KleidergröÃe und die Befehle irgendwelcher Ãrzte. Schäbig ist des Menschen Herz und feige.
Daà der Genuà aus totem Tier gemacht ist, will der Mensch nicht wissen. Wobei seltsamerweise das ganze Unglück mit der Schlachtung eines Apfels angefangen hat und nicht mit einem gebratenen Paradiesvogel, was doch als Ursünde einleuchtender und kulinarisch interessanter gewesen wäre. Nun ist es aber, wie es ist, keine Rückkehr mehr zur Unschuld möglich, es sei denn zu der des gazellemampfenden Löwen: Er hat sie wenigstens vorher nicht eingesperrt und gefoltert.
Er schlachte natürlich selbst, sagt Tomi Ungerer, der groÃe Tierschützer, das heiÃt, je älter er werde, um so weniger gern. Aber: Nur eine glücklische Fleisch ist eine gute Fleisch! So spricht der elsässische Künstler, und das wollen wir uns hinter die Ohren schreiben.
Im ElsaÃ, das weià fast jeder, wird besonders schön gefressen. Vor vielen Jahren, als ich noch nichts wuÃte, habe ich einmal gesagt, zum Sauerkrautessen müsse man doch nicht extra nach Frankreich fahren! Das war mit aller Borniertheit kurz vor meiner ersten Choucroûte garnie so dahingeschwätzt, nach ihr konnte man fürs erste nichts mehr schwätzen.
Unser Sauerkraut war dunkel und schwer, daheim in der Regensburger Bratwurstküche, jenem ehrwürdig geräucherten mittelalterlichen Garküchlein an der Donau, erst nach mehreren Tagen und vielen BratensoÃenresten als Unterlage der berühmten fingerlangen Rostwürschteln geeignet â aber das elsässische Kraut! Wie ein Mannequin zur Marktfrau verhielt es sich, strohblond und duftig, damit die dutzenderlei Würste und Fleischstücke, die es überhäuften, auch vertragen würden. Welches besser ist? Das läÃt sich nun gar nicht beantworten, manchmal kann man ein Mannequin überhaupt nicht brauchen, ein andermal will man Leichtigkeit vorgegaukelt bekommen.
Haben wir schon über den Hunger geredet? Das ist ganz unerläÃlich, wenn man über die politisch unkorrekten FreÃfreuden nachdenkt. Es sollte ein wirklicher und kein künstlicher Hunger sein, nach dem Zerkleinern mehrerer Baumstämme etwa oder einem langen, beschwerlichen FuÃweg. Auch ein längerer Aufenthalt in GroÃbritannien tut gute Dienste. Vorheriges Fasten allerdings wäre genau der falsche Weg
zum Hunger in diesem Fall. Da wird dem GenieÃer nur schlecht. Es sollte der Hunger aus alten Zeiten sein.
Geben wir uns keinen Illusionen hin! Der ist nicht so leicht zu haben, wie es scheint. Daà aus den sauren Wochen faule Wochen und aus den frohen fade Feste geworden sind, reden wir nicht nur den Sozialpolitikern nach. Wer mag ohne ein ordentliches Vakuum im Inneren an einem sich biegenden Tisch sitzen? Wer morgens mit achtzehn Müslisorten und Räucherlachs begonnen hat, gewià nicht. So führt das FreÃfest nur durch äuÃerste MäÃigung zum wahren Genuàâ dann allerdings! Dann scheuen manche
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