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Rund wie die Erde

Rund wie die Erde

Titel: Rund wie die Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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das Huhn alt sein muß, ist eine Binsenweisheit.
    Es gibt magische Suppen, womit nicht die verdächtige Blutsuppe der Spartaner gemeint ist, sondern jene Buchstabensuppe, die über dem Schreibenlernen am Tellerrand kalt zu werden pflegte. Es gibt Strafsuppen, die man auszulöffeln hatte, wenn man so dumm war, sie sich einzubrocken. Bei meiner Mutter genügte bis ins Alter das Wort »Sagosuppe«, um einen Brechreiz auszulösen.
    Es gibt unwiederbringliche Suppen, wie die Zwiebelsuppe im Morgengrauen bei den alten Hallen in Paris oder die Gulaschsuppe, die dem von Liebe und Heurigem beunruhigten Magen seinen Frieden wiedergab.
    Es gibt ausgestorbene Suppen, weil sich niemand mehr hinstellen mag und wirkliche Markklößchen machen, wahrscheinlich ist das Rezept verschollen. Es gibt diese neckischen Modesuppen, die von heuchlerischen Starköchen als »Süpple« oder »Süppchen« annonciert werden, was der Würde der Suppe nicht angemessen ist. Es gibt die schweren und die leichten, die scharfen und die sanften, die süßen und sogar die kühlen Suppen. Die beste Hühnerbrühe machen die Chinesen mit allerlei verdächtigem Geschmackspulver – köstlich! Es gibt Landstriche, da quillt die Kartoffel schon als Suppe aus dem Boden, Musik ist in den Suppen, Madrigale in der Minestrone, Serenaden in der Sternchensuppe, und daß die Linsen und Bohnen Töne haben, weiß jeder, dagegen hilft ein wenig Essig und Bohnenkraut. Mit Suppe hat alles, alles angefangen.
    Und in fernen Zeiten wird es später einmal heißen:
    Â 
    Der Stern zerging zur Schnuppe
    In einer dunklen Suppe.
    Â 
    Wenn wir genügend essen, haben wir noch lange Zeit bis dahin.
    Dies ist des Volkes wahrer Himmel –
    Pellkartoffeln, Quark und Kümmel.

Endzeitdekoration
    Die Suppe hatte nicht auf dem Löffel bleiben wollen, weil dessen Wölbung zu flach war, und das Fleisch – etwas Lämmernes mit Knoblauch, wie es das bei solchen Leuten fast immer gibt – widerstand den nach außen geringelten Gabelzinken. Ich esse nicht gern kleines Schaf. Die Griffe der Bestecke waren irgendwie gewunden, kurz gesagt designt. Horden von Gläsern nahmen zu viel Platz weg, als daß man eine Schüssel hätte auf den Tisch stellen können, nur, es gab gar keine Schüsseln, dafür war unter dem Teller noch ein Riesentrumm Teller aus Silber, und unter diesem irgendwas, das man um Gottes willen nicht Set nennen durfte, natürlich auch nicht Platzdeckchen, aber genausowas war es und sah aus wie aus Stücken alter italienischer Meister gemacht. Es gab auch mehrere Tischtücher, die gekräuselt waren und heftig raschelten, eins davon hatten sie um die Tischbeine mit einer großen Geschenkschleife zusammengebunden. Um die Teller rankte sich Efeu und versuchte immer wieder, ins Essen zu kommen. Den wenigen freien Platz auf dem Tisch nahmen Kürbisse, vergoldete Nüsse und kleine unbekannte Objekte ein. Der Ehemann der Gastgeberin stellte sich als Hersteller dieser kleinen Dinger heraus, die man nicht essen konnte, sondern fürs Auto braucht.
    Hierzulande darf man sich über so was nicht beklagen, weil man sogar eine Professur kriegen kann, wenn man auf dem Eßtisch Maisernten, Flugzeugteile oder Krawattenhalter ablädt. Sollen die Leute doch sehen, wie sie ihr Essen drunter hervorklauben. Indessen frißt das Volk Dreck aus Pappe.
    Wer Augen hat, zu sehen! Irgendwann hatten die Gelangweilten angefangen, vergoldete Nachtigallen in tote Schwäne zu füllen, Suppen aus dem Sperma weißer Hirsche zu kochen und Diamanten im Mandelpudding zu versenken. Sie ließen sich Tafelaufsätze machen, hinter deren Bombast die Mitspeisenden wohltätig unsichtbar wurden, die Gläser waren Unikate von jungfräulichen Bläsern, und unter jedem Teller stand immer noch einer. Das Volk damals fraß Hirsesuppe und tröstete sich mit Methylalkohol. Wie wir wissen, ging das nicht lange gut, und auch der königinnenhafte Befehl, ihnen doch Kuchen zu essen zu geben, nützte nichts mehr. Wir sind wieder soweit! Unser heutiger Indikator der Endzeit heißt Ambiente und gilt als Konjunkturbarometer. Konjunktur ist, wenn die Gastgeberinnen wie verrückt goldene Serviettenklammern, Rosenbowlen und sonnenförmige Platzteller kaufen, dazu meterweise raschelnde Tischdecken und handgemalte, unwaschbare Servietten. Wer Ohren hat, zu hören! Was harmlos, aber

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