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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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zu verderben.

4.
     
    Die nächsten Wochen verstrichen ruhig, und das einzige bemerkenswerte Ereignis war, daß Phil und ich mit dem Job beim Straßenbauamt anfingen. Unsere Kameraden im Schweiß waren alle wahre Amerikaner: rote Nacken, weiße T-Shirts und Blue Ribbon-Bier. Aber wir gewöhnten uns ziemlich schnell an sie, weil sie wirklich ein netter Haufen waren, wenn man von der grundlegenden Roheit mal absah. Zuerst befürchtete ich, daß sie Phil und mich verachten könnten, weil wir nur Jungs vom College waren, die im Sommer im Dreck wühlten. Doch die meisten schienen uns zu respektieren, weil wir versuchten, über Mount Veraon hinauszukommen, auch wenn sie uns alle ohne Ende aufzogen, weil wir auf dieses College gingen.
    Einige Tage zuvor hatte der Vorarbeiter, den alle nur White Trash Joe nannten, uns früher gehen lassen, damit wir auch etwas Spaß in unseren Ferien haben konnten. Unser Arbeitstag ging gewöhnlich bis drei Uhr nachmittags, doch er ließ uns bereits gegen eins gehen und sagte, sie würden uns decken, wenn es nötig wäre. Phil und ich hofften, daß das zur Gewohnheit würde.
    Am Ende der ersten Arbeitswoche feierte ich meinen achtzehnten Geburtstag. Der war zwar erst am Samstag, doch die Feierlichkeiten begannen bereits Freitag nacht mit Phil und Rick. Phil hielt eine feierliche Rede über mein neues Leben als gesetzmäßig Erwachsener, und daß ich nun meinen eigenen Arsch hinhalten müßte, wenn ich Scheiße baute, und nicht mehr mein Vater. Rick brachte mir ein Ständchen, rollte mit den Augen und schüttelte sein langes Haar, während er auf seiner Gitarre klimperte und Marilyn Monroes aufgevampte Version von ›Happy Birthday‹ sang.
    Doch das Beste hatte ich mir für Samstag nacht aufgehoben: ihr Name war Valerie Waters, und sie war das, was seit fast einem Jahr einer festen Freundin am nächsten kam. Wir hatten noch die Freiheit, uns mit anderen zu treffen, und ich weiß, daß sie das einige Male auch getan hatte. Ich nicht. Ich hatte wohl nicht den Mut. Egal, wie viele Mädchen auch hinter einem Typen her sind, er setzt alles auf eine Karte, wenn er zum ersten Mal eines fragt, ob es mit ihm ausgehen will.
    Wir fingen mit einem Abendessen an einem der schöneren Orte der Stadt an. Echt italienisches Villenambiente, aus Weide geflochtene Karaffen, romantische Musik, deren Herkunft ein Geheimnis blieb. Sie bezahlte alles. »Niemand sollte an seinem Geburtstag je Geld ausgeben«, sagte sie, und ich wehrte mich nicht dagegen. Als nächstes führte sie mich ins Kino.
    Schließlich waren wir frei von den Beschränkungen des Ausgehprotokolles und konnten uns dem widmen, was wir als den Höhepunkt ansahen – die eigene und gegenseitige Entdeckungsreise, bei der wir unsere ersten tolpatschigen und unschuldigen Schritte auf einem Weg machten, der uns gleichermaßen erregte und erschreckte.
    Ich fuhr uns mit meinem Malibu in nördliche Richtung. Bog nach sieben Meilen ab. Brachte uns in jene erst vor kurzem entdeckte geheime Welt, die uns bereitwillig aufnahm und vor der Außenwelt abschirmte.
    »Es ist so schön hier draußen«, sagte sie, und ihre Stimme war ein sanftes Murmeln. Wir hielten beim Teich, und eine kühle Abendbrise drang durch die offenen Fenster. »Laß uns nie wieder wegfahren.«
    Ich streichelte ihre Wange und ihr langes, ebenholzfarbenes Haar. »Dein Wunsch sei mir Befehl.«
    Ich drehte das Radio leise, und wir kletterten auf den Rücksitz. Wir lachten beide: es gab keine anziehendere Weise, das zu tun. Und dann, als unsere Gesichter einander nahe waren, ließ das Lachen nach. Wir betasteten uns versuchsweise. Unsere Finger fummelten an Knöpfen und Reißverschlüssen, und wir hofften, dem anderen zu gefallen. Versuchten, uns mit Fähigkeiten zu beeindrucken, die wir noch nicht hatten. Versuchten, nichts Peinliches zu tun. Versuchten einfach.
    Dieser Ablauf wiederholte sich – wie oft, ein Dutzend, zwei Dutzend Mal? Noch immer rumorte es vor Freude in meinem Magen, und ich fragte mich, ob sie das mitbekam.
    Später döste sie in meinen Armen oder tat zumindest so. Ich blickte auf den Teich. Mondlicht schimmerte silbrig auf der Oberfläche, und wenn der Wind ging, sandten die raschelnden Baumkronen gesprenkelten Mondschein ins Auto. Das Radio sang uns sanfte Wiegenlieder.
    Laß uns nie wieder wegfahren.
    Ich war kurz davor, diesen Ort zu meinem ständigen Wohnsitz zu erklären, als ich durch die Windschutzscheibe auf den Hain schaute. Ich konnte jenen riesigen Baum Wache

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