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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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Scheinwerfer an. Schaltete die Warnblinker an. Mein Herz versuchte mit aller Kraft, meine Brust zu sprengen, als ich ausstieg, um zu sehen, was ich getan hatte. Ich betrat die entsetzliche Stille von ein Uhr morgens. Die ganze Welt schien voller Erwartung die Luft anzuhalten.
    Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Pflaster, und ich war sehr froh, ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Ein nackter Fuß war in einem seltsamen Winkel verdreht. Er bewegte sich nicht und schien nicht einmal zu atmen.
    Oh bitte, bitte …
    Es war kein Blut zu sehen, wie mir dann auffiel. Obwohl der Kühlergrill eingedellt und ein Scheinwerfer zerbrochen war, blutete der Mann nicht.
    Ich kniete mich nieder und erstickte fast, als mein Magen in meine Kehle kroch. Ich griff nach seinem ausgestreckten Handgelenk. Kein Puls. Und er fühlte sich so kalt an, so überaus kalt. So schnell kühlt ein Mensch doch nicht ab?
    Ich stand zitternd auf und suchte nach einem Haus mit brennenden Lichtern, um ein Telefon zu benutzen. Etwas weiter oben sah ich eines.
    Er bewegte sich.
    Mit weißem und gelbem Licht gesprenkelt, streckte sich jener bleiche Arm ohne Puls vom Körper. Die Finger spreizten sich langsam, neigten sich dann zur Handfläche, bis nur noch der Zeigefinger abstand. Ich sah zu, mit dem Rücken zum Auto, und beschritt das Drahtseil zwischen Schrecken und Faszination.
    Es dauerte noch einen Moment, bis ich erkannte, was die Hand da tat.
    Sie schrieb, während der Fingernagel sich abschälte wie eine feuchte Briefmarke.
    Es hatte seit zwei Wochen nicht geregnet, und eine dünne Schicht von Schmutz und Sand bedeckte die Straße, wo der Körper lag. Wo er sich bewegte. Und als er fertig war, konnte ich die Worte im Staub so deutlich erkennen, als stünden sie auf einer Tafel:
    Wir kommen dich holen.
    Ich schwankte zur Mauer, stolperte über einen Baum, und mein Mageninhalt plätscherte auf den Boden. Als ich fertig war, meine Rippen von den Kontraktionen schmerzten und ich meinen sauren Mund abwischte, warf ich noch einen Blick auf den Körper. Um zu sehen, ob er noch weitere Überraschungen auf Lager hatte, die meine Träume in dieser Nacht heimsuchen würden. Für immer.
    Die Hand lag mit der Innenseite nach unten und verrieb den Schmutz, um die Worte auszulöschen. Dann fiel sie wieder reglos und leblos zurück. So hoffte ich jedenfalls. Ich rannte zu dem Haus, in dem noch Licht brannte.

5.
     
    Es dauerte das ganze restliche Wochenende, das Zittern loszuwerden.
    Die Polizei traf bald nach meinem Anruf ein, ebenso ein Krankenwagen, und während die Notärzte den armen Kerl aufluden, nachdem er an Ort und Stelle für tot erklärt worden war, stand ich im Mittelpunkt unwillkommener Aufmerksamkeit. Die Polypen untersuchten mein Fahrzeug, stellten Fragen, die ich vor lauter Nervosität fast nicht beantworten konnte, und rochen argwöhnisch an meinem Atem. Sie hatten die Leiche nach Papieren abgesucht und keine gefunden. Sie verzichteten auf eine Vorladung und ließen mich gehen. Nicht ohne mir noch zu sagen, ich solle vorsichtig fahren.
    Hatte ich wirklich gesehen, wie dieser Kerl sich bewegte? Schrieb? Manchmal spielt einem der Verstand merkwürdige Streiche. Belastung kann so etwas auslösen, oder auch Angst …
    Wir kommen dich holen.
    Daheim weckte ich meine Eltern, um ihnen alles zu berichten. Ich saß zwischen ihnen auf dem Bett und erzählte wie ein Wasserfall. Und dann saßen wir einfach da, bis ich mich einigermaßen ausgeweint hatte. Mom sagte mir, daß ich mich schon morgen wieder viel besser fühlen würde, daß Schlaf jetzt die beste Medizin sei. Sie hielt es noch immer für einen simplen Unfall. Ich konnte keinesfalls von ihr verlangen, das zu glauben, was ich dachte, gesehen zu haben. Schlaf …
    Doch es dauerte bis zum nächsten Tag, bis der wahre Schock kam.
     
    Wir waren zur Kirche gegangen, was etwas geholfen hatte, obwohl ich noch immer dazu neigte, nur mit dem Auge meines Geistes zu sehen – jenes bleiche, schlaffe Gesicht, die plötzliche Erschütterung, die seinen Körper durchfuhr, als er vom Auto zurückprallte. Und, am schlimmsten von allem, die Bewegungen seiner Hand, wie sie eine Botschaft einkratzte, von der ich mir nicht mehr sicher war, sie wirklich gesehen zu haben. Das bloße Licht des Tages kann so leicht die Schrecken der Nacht verscheuchen.
    Der Anruf kam gegen drei Uhr nachmittags. Mom ging in der Küche an den Apparat, kam dann ins Wohnzimmer, um mich zu rufen.
    »Es ist die Polizei«, sagte sie und

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