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Rune

Rune

Titel: Rune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Hodge
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drückte leicht meine Hand.
    Ich begann, mich mir hinter Gittern vorzustellen, mit einer Nummer auf meiner Brust, verjagte dann aber den Gedanken. Wenn ich Schwierigkeiten hatte, dann richtige.
    »Spreche ich mit Chris Anderson?« Eine männliche Stimme voller Autorität.
    »Am Apparat.«
    »Hier spricht Sergeant Levitt von der Polizei. Vielleicht erinnern Sie sich noch an mich von letzter Nacht.«
    Ein stattlicher Kerl, der irgendwie aussah wie ein Känguruh.
    »Sicher.«
    Er räusperte sich. »Chris, es hat sich etwas ergeben, zu dem ich Ihnen noch einige Fragen stellen muß. In Ordnung?«
    »Fangen Sie an.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie letzte Nacht während des Unfalls niemand anderen gesehen haben, sowohl vorher nicht als auch kurz darauf?«
    »Nein, keine Menschenseele. Haben Sie herausgefunden, wer er war?«
    »Sein Name war Dennis Lawton. Chris, sind Sie sich absolut sicher?«
    »Ja, völlig. Was geht vor?«
    »Dennis Lawton wurde seit fast einer Woche vermißt. Er war Anfang dreißig und lebte ein paar Meilen außerhalb der Stadt. Seine Freundin hatte ihn als vermißt gemeldet.«
    Und ich habe ihn für dich gefunden. »Und?«
    »Als er ins Krankenhaus gebracht worden ist, wußten die Ärzte schon, daß etwas nicht in Ordnung war. Auch die von der Ambulanz hatten schon einen Verdacht. Und die Autopsie hat es bestätigt. Der Mann war schon tot, bevor Sie ihn angefahren haben, Chris. Er ist vor sechs Tagen ertrunken.«
    »Jetzt warten Sie mal, das kann doch nicht sein. Ich habe gesehen, wie er mir vors Auto lief.« Es stimmte, er hatte schon irgendwie tot ausgesehen, aber … »Er lief auf die Straße und blieb vorm Auto stehen!«
    Levitts Stimme klang geduldig, als wolle er ein starrsinniges Kind umstimmen. »Es passierte alles so schnell, habe ich recht? Ist es nicht möglich, daß Sie nur dachten, ihn laufen zu sehen?«
    »Welche andere Erklärung haben Sie?«
    »Wir glauben, daß jemand die Leiche fand und sich einen kranken Scherz damit machte, sie vor ein fahrendes Auto zu werfen. Suchte sich eine ruhige Seitenstraße aus, mit vielen Hindernissen, hinter denen man sich verstecken kann, spät in der Nacht. Und Sie waren der Unglückliche, der zur rechten Zeit am rechten Ort war.«
    »Also ein Witz auf meine Kosten?« fragte ich ruhig. »Und das ist Ihre Erklärung?«
    »Es ist die einzige, die wir uns denken können.«
    »Hört sich glaubwürdig an.« Aber du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe. Was ich wirklich gesehen habe.
    Er war einen Augenblick still. Und dann: »Es gibt keinen Grund, Sie nochmals zu befragen. Doch wenn Sie sich an etwas erinnern sollten, rufen Sie uns an.«
    »Klar, natürlich.« Ich hängte ein und wankte eine Weile durch die Küche. Ich starrte aus dem Fenster in den Hof. Ein Paar Eichhörnchen kletterte spiralförmig auf einen Baumstamm. Für einen Moment beneidete ich die Einfachheit ihres Lebens.
    Es würde weit mehr als Levitts Logik brauchen, um mich davon zu überzeugen, nicht gesehen zu haben, wie Lawton mir vors Auto lief. In keiner Weise war er von den Händen eines morbiden Possenreißers geworfen worden. Ob durch eigene Kraft oder eine andere, die ich nicht begriff, er war gegangen. Und wenn er das schon getan hatte, fiel es mir leichter, auch zu glauben, daß er jene Botschaft aufs Pflaster gekritzelt und dann wieder weggewischt hatte.
    Wir kommen dich holen. Ich fragte mich, was das hieß, in welchem Zusammenhang das stand. Doch Tote erzählen keine Geschichten.

6.
     
    Ich tat mein Bestes, das Wochenende dorthin zu verbannen, wo es hingehörte – in die ferne Vergangenheit. Wenn ich mich mit Arbeit, Familie und Freunden ablenkte, konnte ich vielleicht alles vergessen. Man ist immer voller Hoffnung.
    Am Dienstag ließ White Trash Joe uns früh abhauen, also befreiten wir uns vom Staub der Straße und fuhren in die Stadt, um zu sehen, wie Aaron sich an seinem ersten Tag in Chuck Wagons Steak-Haus so machte. Die Inneneinrichtung hatte sich seit meiner Zeit dort nicht geändert – die korallenartige Einfriedung am Schalter, die Lassos und Brandeisen an den Wänden, das Zischen des Grills. Aaron schien froh darüber zu sein, freundliche Gesichter zu sehen. Doch wir hatten uns gerade von der Kasse abgewandt, als ein klirrendes Krachen erklang. Aaron stand wie eine Salzsäule in den Scherben von einem halben Dutzend Teller. Innerhalb von zwei Sekunden war er das Opfer des Zorns eines winzigen rothaarigen Kerls namens Maurice, der Aarons Chef war, wie er der meine

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