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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Magie, die sie bis jetzt beschützt hatte, war erloschen. Sie war im gleichen Moment verschwunden, mit dem sie die Höhle verlassen hatten, und
Lancelot erinnerte sich schaudernd an den letzten Blick,
den er in die Tiefe zurückgeworfen hatte.
    Der Spalt im Felsen war nicht mehr da. Merlins Höhle
war verschwunden. Wo ihr Eingang gewesen war, erhob
sich jetzt eine massive, undurchdringliche Felswand.
    Der Weg zur Tir Nan Og war verschlossen, vielleicht
nicht überall, vielleicht nicht für jeden, aber hier und für
sie.
    Schwer atmend und am Ende ihrer Kräfte erreichten sie
den schmalen Pfad, der zu der kleinen Tür auf der Rückseite Tintagels führte. Sosehr Lancelot auch spürte, wie
wichtig jeder Augenblick war: Sie mussten einen Moment
innehalten, um neue Kräfte zu schöpfen. Über ihnen erhellte der rote Widerschein der brennenden Burg die Unterseiten der Wolken, die plötzlich aussahen, als stünde
ihre Last, die darauf wartete, auf das Land herabzuregnen,
nicht aus Schnee, sondern aus Blut. Selbst das Donnern
der Brandung, die tief unter ihnen mit Urgewalt gegen die
Felsenklippe anrannte, ging im Kampfgetöse unter, das
aus Tintagel herauswehte.
    Lancelot wartete, bis sein Herz aufhörte wie verrückt zu
schlagen und seine Knie so sehr zu zittern, dass er gar
nicht hätte aufstehen können, selbst wenn er es gewollt
hätte, dann arbeitete er sich mühsam und keuchend in die
Höhe, lehnte sich erschöpft gegen die gemauerte Wand in
seinem Rücken und streckte Gwinneth die Hand entgegen.
Sie musste ebenso erschöpft und ausgelaugt sein wie er,
aber sie blickte seine ausgestreckte Rechte nur einen Moment lang fast verständnislos an, dann schüttelte sie den
Kopf und stand langsam und schwankend, aber aus eigener Kraft auf.
    »Du solltest hier bleiben«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie
es drinnen in der Burg aussieht.«
Was für ein Unsinn. Sie wussten es beide. Gwinneth sah
ihn auch nur kurz ausdruckslos an, dann schüttelte sie den
Kopf. »Ich bleibe bei dir.«
Er versuchte nicht noch einmal sie zum Bleiben zu überreden. Gwinneth wusste so gut wie er, dass dort drinnen in
der Burg mit großer Wahrscheinlichkeit nichts anderes als
der sichere Tod auf sie wartete, aber er akzeptierte ihre
Entscheidung. Wenn sie überlebten, dann gemeinsam, und
wenn er starb und Gwinneth weiterlebte, dann war das,
was sie erwartete, auf jeden Fall schlimmer als der Tod. Er
nickte.
»Also gut«, sagte er. »Doch bleib immer hinter mir, ganz
egal was passiert.«
Gwinneth nickte, drehte sich auf dem vereisten Pfad um
und lief so schnell voraus, dass Lancelot alle Mühe hatte,
auch nur mit ihr Schritt zu halten, und sie erst wieder einholte, als sie die Schlupftür erreicht hatte. Er sagte nichts
dazu, sondern beließ es bei einem kurzen tadelnden Blick,
dann schob er sie mit sanfter Gewalt aus dem Weg und
legte die Hand auf die Tür. Das Wunder, auf das er kaum
zu hoffen gewagt hatte, geschah: Die Tür war offen und
auch die Ziegelsteinmauer dahinter war nicht repariert
worden, sodass sie nur einen Augenblick später hindurchtreten konnten.
Der Anblick, der sie erwartete, war von einer geradezu
absurden Friedfertigkeit. Der winzige Innenhof hatte sich
nicht verändert, seit sie Tintagel auf diesem Weg verlassen
hatten, und auch der Kampflärm und die Schreie und das
Prasseln der Flammen war hier deutlich weniger laut zu
vernehmen als draußen, außerhalb der Festung. Nur das
rote Licht, das von den Unterseiten der Wolken reflektiert
wurde und die Szenerie in flüssiges Blut zu tauchen
schien, war intensiver.
Lancelot nahm den Schild vom Rücken, befestigte ihn an
seinem linken Arm und zog das Runenschwert. Erneut
wollte Gwinneth an ihm vorbeigehen, aber diesmal hielt er
sie mit einer raschen Bewegung auf und schob sie mit
schon etwas mehr als nur sanfter Gewalt wieder zurück,
sodass sie genau hinter ihm stand. »Dort«, sagte er streng.
»Nirgendwo anders!«
Gwinneth schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht«,
sagte sie und deutete auf irgendetwas – oder irgendjemanden – hinter ihnen.
Lancelot fuhr herum und die Elbenklinge zuckte vor auf
der Suche nach einem Opfer, das es mit einem Streich
niederzustrecken galt.
»Nicht doch!«
Die Gestalt, die aus dem Schlagschatten einer Mauer
hervortrat, schien Schwierigkeiten zu haben, sich auf den
Beinen zu halten; sie taumelte und wäre um ein Haar gestürzt, wenn sie nicht der zweite Mann gestützt hätte, der
ebenfalls im

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