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Runenschild

Titel: Runenschild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das?« Lancelot schüttelte ungläubig den
Kopf. »Dann warst du es also auch, der Sean am Abend
vor Morgaines Überfall zum raschen Aufbruch gedrängt
hat?«
»Einem Drängen, dem der Ire leider nicht nachgekommen ist«, bedauerte Merlin.
»Aber warum bist du dann nicht zu uns hereingekommen? Warum hast du nicht wenigstens nach mir – oder
Gwinneth – rufen lassen?«
»Weil nicht ich es war, der mit Sean sprach«, erklärte
Merlin. »Es war … eine Art Trugbild. Etwas, das nur die
Iren und ihr beiden zu sehen vermochtet, etwas, das eigentlich aus Sean selbst entstand, das er in sich aufgenommen hatte bei unserem ersten und einzigen Gespräch
in der Nähe Camelots, lange bevor du von Dulac zu Lancelot wurdest.«
»Was?«, keuchte Lancelot. »Soll das heißen, dass du all
das von langer Hand geplant hast?«
»Aber nein.« Merlin lächelte begütigend. »Ich habe es
nicht geplant, ich habe nur … gewisse Vorkehrungen getroffen. Und eine davon war, dass Sean und die anderen
euch unauffällig folgen sollten, falls sich meine Befürchtungen bewahrheiten sollten, um dann einzugreifen, wann
immer es nötig wäre.«
Lancelot war durch diese unerwartete Eröffnung wie vor
den Kopf geschlagen. »Und die Münzen, die Sean nach
dem Gespräch mit … mit dieser Erscheinung plötzlich aus
der Tasche zog …«
»… hatte er schon lange zuvor von mir erhalten«, beendete Merlin seinen Satz. Doch dann winkte er entschlossen
ab. »Aber nun genug von den Iren. Uns bleibt kaum noch
Zeit. Und deshalb werde ich etwas tun, was ich eigentlich
nicht tun dürfte. Ich werde euch erklären, was ihr im Laufe
eines Lebens hättet herausfinden sollen. Und warum ihr
die Antworten auf all eure Fragen in euch tragt – und damit auch die Sehnsucht nach dem, was eure Heimat hätte
werden können, hätte das Schicksal es anders mit euch
gemeint.«
»Und das bedeutet, dass wir das Recht verwirkt haben,
zur Tir Nan Og zurückzukehren«, entfuhr es Lancelot bitter.
»Nicht das Recht«, antwortete Merlin sanft, »und auch
nicht die Fähigkeit. Aber die Frage bleibt: Wollt ihr wirklich dorthin? Wollt ihr wirklich das aufgeben, was euch
hier all die Jahre Heimat gewesen ist?«
Gwinneth wirkte einfach nur verstört, doch Lancelot
spürte, dass das nicht daran lag, weil sie Merlins Worte
nicht verstand. Tief in ihr war das gleiche ererbte Wissen
wie in ihm. Es war so, wie Merlin gesagt hatte: Alle Antworten auf alle Fragen waren bereits in ihnen. Aber in
diesem Moment wollte Gwinneth sie nicht kennen. Sie
wollte nicht einmal die Fragen wissen.
»Schließlich ist das unsere Heimat«, murmelte Gwinneth. »Wir … wir gehören dorthin, Merlin.«
Der Anteil von Trauer in Merlins dunklen Augen wurde
noch eine Spur größer. »Ihr seid dort geboren, das ist
wahr. Ihr seid von meinem Volk, meinem Blut. So wie es
auch Artus und Mordred und viele andere sind.«
Er sprach nicht weiter und nach einer kleinen Ewigkeit
und so leise, dass seine Stimme fast nur ein Hauch war,
führte Lancelot den Satz zu Ende: »Aber wir gehören
nicht dorthin.«
Gwinneth fuhr herum und starrte ihn fast entsetzt an,
doch Merlin nickte langsam und traurig. Er schwieg.
»Was … was soll das heißen?«, fragte Gwinneth. Ihre
Stimme wurde schrill, fast zu einem Schrei. »Das ist unsere Heimat!«
»Was haben wir euch nur angetan?«, fragte Merlin.
»Mögen die Götter, an die wir glauben, uns vergeben. Ich
kann es nicht.«
»Aber … aber wir können …«, begann Gwinneth, doch
Lancelot unterbrach sie, indem er sacht den Kopf schüttelte und sie dann unendlich behutsam in die Arme nahm.
»Wir gehören nicht dorthin, Gwinneth. So wenig wie
hierher.« Seine Stimme versagte. Die Worte, nach denen
er suchte, fand er nicht. Mit einem fast verzweifelt flehenden Blick wandte er sich an Merlin. »Ist es so?«
Auf dem Gesicht des alten Magiers erschien ein Ausdruck von Qual, den Lancelot nie wieder wirklich vergessen sollte. »Ja«, gestand er. »Es tut mir Leid. Ich weiß,
dass ich nicht das Recht habe, Euch um Vergebung zu
bitten, aber ich tue es trotzdem. Das dort ist nicht mehr
eure Welt, auch wenn ihr dort geboren seid.«
»Und … und wohin sollen wir dann gehen?«, murmelte
Gwinneth.
»Wenn ich das nur wüsste«, sagte Merlin traurig.
»Wer sind wir, Merlin?«, fragte Lancelot. Er hatte nicht
die Kraft, den Magier bei diesen Worten anzublicken,
sondern starrte zu Boden und klammerte sich so fest an
Gwinneth, als fürchte er den Halt in der

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