Runlandsaga - Wolfzeit
Genaues. Aber zur Zeit fährt kein Schiff an der Westküste in den Norden. Alle, die mit den Städten dort oben Handel treiben, sind gezwungen, nach Süden auszuweichen und Schiffe aufzutreiben, die sie an der Ostküste entlang bis Dorsingal oder Nilan bringen.«
»Danke für Eure Auskunft«, murmelte Pándaros geistesabwesend und wandte sich ab. Er wechselte einen Blick mit Deneb. Beide Priester rückten etwas von den anderen Händlern auf dem Steg ab.
»Jetzt hast du selbst gehört, wie ernst die Lage ist«, sagte Deneb leise. »Wenn du weiter nach Felgar reist, dann läufst du in den sicheren Tod. Dort oben herrscht Krieg!«
»Das ist kein gewöhnlicher Streit zwischen rivalisierenden Kriegsherren«, gab Pándaros zurück. »Die Serephin betreiben den Untergang allen Lebens auf dieser Welt.« Er hob seinen Kopf und blickte in die Ferne, zum nördlichen Verlauf des träge dahinströmenden Lilin. Der Himmel war dunkel und wolkenverhangen. Bestimmt würde es bald heftig gewittern.
»Ich kann dir nicht erklären, weshalb, aber ich bin mir sicher, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, die Pläne dieser Ungeheuer zu vereiteln. Als Priester des Sommerkönigs ist es meine Pflicht. Aber dazu muss ich Ranár finden und von dem Einfluss dieses Wesens befreien, das seinen Körper übernommen hat.«
»Das ist eine Aufgabe für eine Schar schwer bewaffneter Krieger, nicht für zwei alte Männer wie uns«, entgegnete Deneb. »Ich bleibe dabei – hier trennen sich unsere Wege.«
»Ich will dich zu nichts überreden«, sagte Pándaros gefasst. »Und ich trage es dir nicht nach, dass du umkehren möchtest. Ich bin dir dankbar. Ohne dich wäre ich niemals so weit gekommen. In Tillérna hast du mir das Leben gerettet.«
Sichtlich verlegen schielte Deneb an seinen Freund vorbei zu einer weiteren Schar Reisender hinter ihnen, die darauf wartete, dass die Fähre am Steg anlegte, um sie an das östliche Flussufer zu bringen. »Schon gut. Das ... das war doch nichts. Ich hab kaum darüber nachgedacht, was ich da tat.« Er holte tief Luft. »Ich wünsche dir alles an Glück, das die Schicksalsherrin für dich träumen kann. Du wirst es brauchen. Pass auf dich auf! Ich werde mit Bendíras sprechen und keine Ruhe geben, bis der Orden die Adeligen dazu bringt, etwas gegen die Bedrohung aus dem Norden zu unternehmen.« Er trat auf seinen Freund zu, und beide umarmten sich stumm.
»Hoffentlich ist es dann nicht bereits zu spät«, sagte Pándaros, als sie sich wieder voneinander gelöst hatten. »Um so besser wird es sein, wenn ich mich nicht weiter aufhalte, sondern mich beeile, nach Felgar zu kommen.«
»Willst du weiter den Lilin hinauffahren?«
»So weit er in Richtung Norden verläuft. Sobald er sich nach Osten auf die Meran Ewlen zuwendet, werde ich zu Fuß weitergehen.«
»Das bedeutet, dass du die Steppen von Ceranth durchqueren musst. Und wenn du sie hinter dir hast, liegen die Eisenberge vor dir. Von den Toolmooren will ich erst gar nicht reden.«
Pándaros hatte den Steg verlassen und war in das Boot geklettert. »Ich habe nie gesagt, dass es leicht werden würde. Aber auf diesem Weg bin ich immer noch etwas schneller in Felgar, als wenn ich mich wieder zurück nach Sol wende und ein Schiff besteige, das die Ostküste befährt.«
Er löste den Knoten, mit dem er den Tampen am Steg befestigt hatte, und warf das Tauende zu seinen Füßen ins Boot. Deneb kniete sich nieder und stieß den Bug ab. Er hob eine Hand und winkte Pándaros zu. »Pass auf dich auf. Ich will dich irgendwann wiedersehen!«
»Darauf kannst du dich verlassen«, rief der Priester zurück. Er lächelte und winkte, bevor er die Ruder ergriff, aber es war ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Ihm war alles andere als fröhlich zumute. Mit einem Mal fühlte er sich so verlassen, dass ihm regelrecht übel wurde. Er schluckte angestrengt und zog die Ruder so kräftig ein, dass ihm die Arme wehtaten, aber das war ihm egal. Die schmerzenden Muskeln lenkten wenigstens ein wenig von der bedrückenden Einsamkeit ab.
Mit mehreren harten Schlägen hatte er sein Gefährt in die Mitte des Flusses gesteuert und ruderte gegen die schwache Strömung an. Die Fährstation wurde schnell kleiner und verschwand hinter einer Biegung mit weit ins Wasser hängenden Trauerweiden. Die Stimmen der Reisenden verklangen. Schließlich war Pándaros allein auf dem blauen Band des Lilin. Erst jetzt, da er Deneb aus den Augen verloren hatte, hielt er inne und ließ die
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