Runlandsaga - Wolfzeit
dort auftauchen. Sie werden uns ergreifen, und dann pressen sie den Aufenthaltsort des letzten Wächterdrachen aus uns heraus.«
»Das werden sie nicht«, erwiderte Pándaros. »Wir werden uns nicht ergreifen lassen. Wir schleichen uns irgendwie in die Festung hinein und verschwinden mit Ranár.«
Denebs Mund verzog sich schmerzerfüllt. »Ich bin mit dir aus T´lar fortgegangen, um dir bei deiner Suche zu helfen. Ich habe bei deinem verrückten Plan in der Arena von Tillérna mitgemacht. Meine Hände haben den Tod ausgeteilt. All das habe ich getan, weil ich die Hoffnung hatte, dass wir es schaffen könnten, Ranár zu finden.« Er schritt vor dem Lagerfeuer, dessen Flammen an dem frischen Holz emporleckten, auf und ab. Pándaros beobachtete ihn angespannt.
»Aber jetzt liegt die Sache anders. Hier geht es nicht mehr nur darum, unseren Bruder aufzuspüren oder einen Haufen von religiösen Eiferern hinters Licht zu führen. Seit unserer Flucht aus Tillérna habe ich lange nachgedacht. Was du vorhast, ist nicht zu schaffen. Ich werde dich nicht weiter begleiten. Ich versuche, mich nach Incrast durchzuschlagen, und von dort aus über einen der Handelswege wieder nach Sol zurückzukehren. Der Orden hat mehr Möglichkeiten, Ranár aus der Gewalt dieser Ungeheuer zu befreien als zwei einfache Priester.«
»Bis du wieder zurück in Sol bist und der Orden entschieden hat, ob er etwas gegen diese Bedrohung unserer Welt unternehmen soll, ist es vielleicht schon zu spät«, warf Pándaros ein. »Wir sind bereits so weit gekommen. Lass mich jetzt nicht im Stich!«
Er versuchte noch eine Weile, Deneb davon abzubringen, wieder umzukehren, aber sein Freund wollte sich um keinen Preis umstimmen lassen. Schließlich legten sich beide wieder hin, um vor Tagesanbruch wenigstens noch ein wenig Ruhe zu finden.
Auch am folgenden Morgen blieb Deneb hart. Er änderte seine Entscheidung nicht. Sie hing wie eine graue Regenwolke über ihnen und verdüsterte ihren Aufbruch.
Am Ende gab Pándaros es auf, ihn überzeugen zu wollen. Schweigend stiegen die beiden Priester in das Boot und ruderten erneut stromaufwärts. Die Hitzewelle war vorüber, und es hatte im Vergleich zum Vortag merklich abgekühlt.
Gegen Mittag erblickten sie zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus Tillérna wieder andere Menschen. Sie hatten eine Flussgabelung erreicht, die auf Pándaros´ Karte verzeichnet war und woran sie erkennen konnten, dass sie sich nun auf der Höhe von Incrast befanden. Ein Seitenarm des Lilin floss nach Westen, um sich etwas nördlich von der Stadt ins Meer zu ergießen. Wo er sich von dem größeren Strom trennte, befand sich eine Fährstation, die auf hölzernen Bohlen über dem Wasser stand. Eine Menge Volk tummelte sich dort. Ständig kamen mehr Leute über die nach Incrast führende Handelsstraße an. Der Fährmann, ein schlaksiger Greis, der so gebrechlich aussah wie rissiges, altes Papier, hatte gut damit zu tun, alle Wartenden nach und nach ans östliche Ufer des Lilin zu bringen, wo sie sich nach Süden wandten.
Pándaros und Deneb legten ihr Boot an der Fährstation an. Der Archivar fragte einen Mann in etwa ihrem Alter, der seinem Gepäck nach ein Gewürzhändler sein musste, wie lange sie wohl auf der Straße nach Incrast unterwegs sein würden. Der Händler, der offenbar gerade erst eingetroffen war, klopfte sich müde den Staub von der Hose.
»Etwa zwei Tagesmärsche«, sagte er. »Aber wenn ihr von dort aus weiter nach Norden wollt, dann könnt ihr euch den Weg sparen.«
»Warum denn das?«, fragte Pándaros.
»Irgendetwas Schreckliches muss im Norden geschehen sein. Keiner weiß etwas Genaues. Die Adeligen wissen bestimmt mehr, aber uns gewöhnlichen Leuten wird wie immer alles zuletzt verraten.«
»Was ist nun passiert?«, drängte Pándaros. Sein Mund war trocken, und sein Magen krampfte sich zusammen.
»Andostaan soll völlig niedergebrannt worden sein«, berichtete der Kaufmann. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Und Menelon ist von den Stadtbewohnern aufgegeben worden. Sie fliehen alle ins Regenbogental. Angeblich zieht ein Heer von Söldnern durch Felgar und brennt alles nieder. In Carn Taar sollen sie ihr Hauptlager haben. Die Clans der Nordprovinzen sind in heller Aufregung. Alle verkriechen sich in ihren Festungen.« Er machte eine ausladende Bewegung mit seiner Hand in Richtung Straße, wo sich bereits eine weitere Wagengruppe der Fährstation näherte. »Wie gesagt, keiner weiß etwas
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