Runterschalten
offenen Augen erleben. Wir haben den Teufelspakt – Zeit gegen Geld – selbst unterschrieben, und Proletarier, die keine andere Wahl haben, sind wir nicht. Wer diese Art von Normkarriere durchläuft, hat immer eine Wahl und ist schlau genug, um irgendwann zu merken, in welchem Hamsterrad er oder sie steckt. Das resultierende Gefühl, gelebt zu werden, statt selbst zu leben, wird nicht resignierend hingenommen. Es mündet in den starken Wunsch, etwas zu ändern – wenn schon nicht am großen Ganzen, dann zumindest im eigenen Leben.
Achtung: Gefühle!
Aber das Szenario für die Zeit vor dem Runterschalten wäre nicht komplett, würden wir hier nicht auch die weniger erfreulichen Gefühle betrachten, die unsere Arbeitswelt hervorbringt. Auf positive Gefühle verzichten wir hier, denn sie werden immer schwächer, je stärker der Wunsch zum Runterschalten wird. Die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, etwa, die paradoxen Botschaften der Arbeitswelt, das unsichere Selbstverständnis als Mann und als Frau im Beruf – alles Gefühle, die die Unstimmigkeit zwischen unserer Innen- und Außenwelt vergrößern.
Wenn Gefühle als lästig abgetan werden, wird etwas gern vergessen: Gefühle stellen die Verbindung zwischen Innen und Außen her. Sie „interpretieren“ ohne Kopfarbeit Beobachtungen. Bestimmt gibt es allerhand Lektionen, die aus den kleinen und großen Wirtschaftskrisen dieser Welt gezogen werden müssten, aber eine davon müsste heißen: Leute in den Chefsesseln dieser Welt, hört auf, Gefühle zu ignorieren. Nehmt eure und die Gefühle anderer wahr. Merkt endlich mal, dass Gefühle mehr als einen Nutzen haben: Zu warnen, zum Beispiel. Mancher Schlammassel könnte vermieden werden, wenn wir achtsamer mit solchen Warnsignalen umgingen.
1. Die „innere Kündigung“: Ohne mich, aber doch mit mir
Sie gehen ein letztes Mal in das Büro Ihres Vorgesetzten, knallen ihm ein paar Akten auf den Tisch, werden noch ein paar Verwünschungen los und verlassen dann mit einem sagenhaften Hochgefühl diese Stätte der Sklaverei, die bisher Ihr Arbeitsplatz war. Kennen Sie den Traum? Dann gehören Sie je nach Statistik zu jenen 70 Prozent der deutschen Angestellten, die längst die „innere Kündigung“ eingereicht haben.
Wenn so viele Arbeitnehmer diese unsichtbare Kapitulationserklärung unterschrieben haben, bedeutet das, dass kaum noch jemand wirklich gern arbeitet. Es bedeutet, dass sich unglaublich viele Menschen morgens mit Widerwillen zur Arbeit schleppen, des Geldes wegen. „Ich schiebe nur noch Frust“, so beschreiben das meine Klienten, oder „ich fühle mich wie in einer Zwangsjacke“. Oder stimmt es etwa, dass wir Deutschen einfach nur gut sind im „Klagen auf hohem Niveau“, wie gelegentlich behauptet wird? Und wenn, reicht das, um diese Klagen als „unbegründet“ vom Tisch zu fegen und zur Tagesordnung zurückzukehren?
Niemand kündigt leichtfertig, auch nicht innerlich. Diese Form der Kapitulation steht am Ende einer langen, zähen Durststrecke. Erstes Signal sind Frustrations- und Ohnmachtsgefühle, gepaart mit dem Entschluss: „Jetzt zeig ich's denen erst recht!“
Sabine Reuter kennt diese Art von Frustrationen. Sie ist leitende IT-Entwicklerin in einem Weltkonzern. Sie „rennt immer wieder gegen Mauern“, wenn sie nach Meetings darauf besteht, dass die gefassten Beschlüsse auch umgesetzt werden. Sie hört dann von ihrem Vorgesetzten, so sei das nicht gemeint gewesen. Wenn sie auf Protokolle verweist, sagt man ihr, sie solle endlich aufhören, zu meckern.
Es ist dieser Führungsstil nach Gutsherrenart, der Menschen frustriert: Informationen werden zurückgehalten, Mitwirkung wird entmöglicht, Diskussionen werden abgewürgt. Die betroffenen Mitarbeiter erleben das als Kontrollverlust und Machtlosigkeit. Trotzdem wird sich ein Kandidat für die innere Kündigung, nennen wir ihn (Frauen sind hier natürlich auch gemeint) Martin Schmidt, erst mal deutlich mehr anstrengen. Er wird mehr Gespräche suchen und sich aktiv um eine Verbesserung der Arbeitssituation bemühen. Aber irgendwann merkt Martin Schmidt, dass diese Bemühungen versanden. Sie kommen nicht an. Erst jetzt, nachdem er deutliche Klimmzüge in Richtung Leistungssteigerung unternommen hat, setzt die Resignation ein und erst dann wird Schmidt zum „Dienst nach Vorschrift“ übergehen.
2. Fehlende Anerkennung
„Das haben Sie gut gemacht!“ – Wann haben Sie diesen Satz zum letzten Mal gehört?
Anerkennung, ganz einfach in
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