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Worten ausgesprochen und weitergegeben, scheint allgemein ein gesuchter Rohstoff zu sein. Der Schluss liegt nahe, dass es mit den Sozialkompetenzen bei Führungskräften nicht weit her ist oder dass sie in der Einstellungs- und Beförderungspraxis keine Rolle spielen bzw. nur auf dem Papier existieren. Oder hängt es mit dem Gleichmachungssystem in großen Unternehmen zusammen, dass der Sinn fürs Individuelle einfach verlorengeht?
Offenbar gibt es immer diesen Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit, er ist ein Hauptmerkmal der gefühlten Arbeitswirklichkeit. Alle reden von Vertrauen, von Wertschätzung, von „wertvollem Humankapital“. Was aber bei vielen ankommt, sind Kontrolle, Geringschätzung und Arbeitsplatzangst.
Dass Anerkennung wichtig ist, weiß man schon lange. Inzwischen sind die Arbeitsforscher aber einen Schritt weiter und sie sagen: „Fehlende Anerkennung macht krank.“ Johannes Siegrist, Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, fand bei seinen Untersuchungen heraus: Was zählt, ist nicht irgendein verallgemeinertes Schulterklopfen oder ein höheres Gehalt, sondern echte Wahrnehmung der individuellen Leistung. Allerdings, auch das zeigen seine Analysen, ist diese Erwartung bei den meisten Vorgesetzten fehl am Platz: Fehler erkennen und benennen sie, Leistungen und gute Ergebnisse dagegen eher nicht.
3. Stress bis zum Umfallen
„Ich kann nachts einfach nicht mehr abschalten. Bei der Arbeit kann ich es niemandem recht machen, und zuhause muss ich den verantwortungsvollen Vater und Ehemann geben. Die ganze Verantwortung lastet auf mir. Wo bleibe ich eigentlich?“ Solche Klagen höre ich häufig von meinen Klienten.
Die Konsequenz aus nicht beachteter Leistung wird von den Arbeitsforschern „berufliche Gratifikationskrise“ genannt und kann zu körperlichen und seelischen Erkrankungen führen. Denn der oder die Betroffene erlebt die fehlende Anerkennung und seine Machtlosigkeit als Stress: Die Herzfrequenz steigt, Stresshormone werden ausgeschüttet, was wiederum vielfältige Folgen haben kann: Herzprobleme, Schlafschwierigkeiten, Magen-Darmerkrankungen, Depressionen, Rückenbeschwerden, um nur ein paar zu nennen.
Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, an dem aus der inneren Kündigung von Herrn oder Frau Schmidt eine echte werden sollte. Gesundheit gegen Arbeit, das ist ein fauler Handel. Aber die meisten Herren und Damen Schmidt bleiben auch jenseits der Schmerzgrenze im Unternehmen. In diesem Fall gibt es zwei Möglichkeiten.
Variante A: Inzwischen ist Martin Schmidt durch erhöhte Krankheitsanfälligkeit aufgefallen, seine Leistung lässt in der Wahrnehmung des Vorgesetzten ohnehin zu wünschen übrig. Ein Kündigungsgrund seitens des Unternehmens findet sich, Schmidt ist seine Arbeit los.
Oder Variante B: Martin Schmidt erleidet einen Zusammenbruch – Herzkreislauf oder psychisch, wieder ist er seinen Job los und nach einigen Wochen verordneter Auszeit weiß er, dass er sein Leben ändern muss.
Dabei ist viel Arbeit nicht das Problem. Die meisten Menschen arbeiten gern viel, wenn sie darin einen Sinn sehen. Sinn entsteht, wie wir gesehen haben, wenn Menschen Anerkennung finden, wenn sie Einfluss nehmen können auf ihren Arbeitsbereich und ihre Zeit, und wenn sie Entwicklungsmöglichkeiten für sich sehen. Das alles ist inden „Mühlen“ der Großkonzerne, wenn überhaupt, nur beschränkt und für eine begrenzte Zeit möglich.
Tipp
Wieso steigen wir nicht früher aus, bevor wir Schaden nehmen? Vermutlich, weil wir eine Erlaubnis brauchen. Krankheit oder Tod sind eine gute Entschuldigung. Aber auch, weil wir mehr auf die regelmäßigen TÜV-Intervalle des Autos achten als auf die eigene Gesundheit. Verantwortung für sich und sein eigenes Leben, wo lernt man das hierzulande?
4. Angst um den Job
„Wir sehen es in jedem Quartal: Die Einschläge kommen immer näher.“ – Ein Kriegs-Szenario auf Büroetagen: Personal wird abgebaut, die Arbeitsplatzangst geht um. Das Prinzip „Austauschbarkeit“ übernimmt die Kontrolle. Alle wissen: Wir haben dem Arbeitgeber Arbeitsund Lebenszeit gegeben, was für diesen allerdings bestenfalls für die Höhe der Abfindung relevant ist. Angestellte, die ihre Firmentreue als Wert sehen, fallen „aus allen Wolken“, wenn ihnen gekündigt wird – was hat sich geändert?
Der so genannte psychologische Vertrag, der unausgesprochene und unsichtbare Erwartungsteil eines jeden
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